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Stephan Thomae
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Frage von Jens F. •

Frage an Stephan Thomae von Jens F. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Thomae,

die Problematik des gemeinsamen Sorgerechts auch nicht miteinander verheirateter Eltern wird seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert.

Besonders interessant finde ich bei den vorstehenden Anfragen die von Herrn Raden aufgeworfenen Probleme. Wie die Praxis immer wieder zeigt, haben Väter auch nach der Einführung des FamFG und der beschleunigten Bearbeitung von Sorge- und Umgangsverfahren, nach wie vor erhebliche Probleme, nach einer Trennung von der Kindesmutter, die Kontakte zu den gemeinsamen Kindern in einem kindeswohldienlichen Umfang aufrecht zu erhalten. Nicht selten liegen die Gründe hierfür in der Verweigerungshaltung der Kindesmutter.

Hierdurch werden nach wie vor viele Verfahren unnötig in die Länge gezogen und der Elternteil, bei dem sich die Kinder nicht aufhalten, davon abgehalten, seinen Rechten und Pflichten als Vater/Mutter nachzukommen.

Die sogenannte Widerspruchslösung beseitigt die ebstehenden Probleme aus meiner Sicht nicht. Es findet nur eine Verlagerung statt. Die Entscheidung, ob vor oder bei Geburt des gemeinsamen Kindes auch ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern besteht, liegt nach wie vor allein bei der Mutter. Sofern sie eine gemeinsame Sorgeerklärung verweigert, ist der Kindesvater (ggf. bei noch bestehender nichtehelicher Gemeinschaft) gezwungen, den Weg zum Familiengericht zu nehmen.

Dort steht das Gericht dann vor den Fragen, die Herr Raden aufgeworfen hat. An welchen Maßstäben muss sich eine Sorgerechtsentscheidung orientieren? Wie kann das Familiengericht feststellen, ob das gemeinsame Sorgerecht dem Wohl eines vielleicht erst wenige Wochen oder Monate alten Kindes entspricht?

Abschließend noch eine Frage zum Verfahrensablauf: Wäre einem Sorgerechtsantrag des Vaters nicht ggf. ein in Anlehnung an § 165 FamFG gestaltetes Vermittlungsverfahren vorzuschalten? Es gäbe den Eltern die Möglichkeit, unter Vermittlung des Gerichtes eine einvernehmliche Einigung zu erzielen.

Vielen Dank im Voraus,

Jens Franke

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Sehr geehrter Herr Franke,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 30. März 2011. Erlauben Sie mir dazu folgende Anmerkungen.

I.

Die Widerspruchslösung stellt nach meiner Überzeugung in jedem Fall eine Verbesserung der Rechte unehelicher Väter dar. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (Az. 1 BvR 420/09) haben ledige Väter die Möglichkeit, das gemeinsame Sorgerecht gerichtlich zu beantragen. Es sind also gegenwärtig die Väter, die aktiv um ihr Recht kämpfen müssen.

Nach der Widerspruchslösung erhalten nicht miteinander verheiratete Eltern das gemeinsame Sorgerecht unter folgenden Voraussetzungen:

1. Der Vater hat seine Vaterschaft anerkannt (§ 1594 BGB).
2. Die Mutter hat der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt (§ 1595 BGB).
3. Der Vater hat erklärt, dass er das Sorgerecht gemeinsam mit der Mutter ausüben möchte.

Dabei hat die Mutter die Möglichkeit, einen begründeten Widerspruch gegen die gemeinsame Sorge einzulegen. Über diesen muss dann das zuständige Familiengericht am Maßstab des Kindeswohls entscheiden. Innerhalb dieser Frage ist zwischen folgenden Stufen zu unterscheiden:

Das gemeinsame Sorgerecht wird erteilt, wenn es

- dem Kindeswohl am besten entspricht,
- dem Kindeswohl entspricht oder
- dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Bei der ersten und zweiten Variante müssen Gründe dafür genannt werden, dass sich die gemeinsame Sorge positiv auf das Kind auswirkt.

Bei der dritten Variante müssen Gründe dafür genannt werden, dass das gemeinsame Sorgerecht negative Auswirkungen auf das Kind hat. Werden keine Argumente genannt, warum das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl widersprechen sollte, wird davon ausgegangen, dass die gemeinsame Sorge ohne weiteren Nachweis dem Kindeswohl entspricht.

Im Rahmen der Widerspruchslösung sollen nicht mit einander verheiratete Eltern das gemeinsame Sorgerecht unter den genannten Bedingungen erhalten, wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Der Vorteil der Widerspruchslösung besteht darin, dass der Vater nicht automatisch einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht bei Gericht stellen muss. Es herrscht also nicht von vornherein Eskalationsstufe rot zwischen den Eltern. Vielmehr genügt die Erklärung des Vaters, dass er die Sorge für das Kind gemeinsam mit der Mutter ausüben will. Diese Erklärung kann er gegenüber dem Jugendamt abgeben. Legt die Mutter dann Widerspruch gegen das gemeinsame Sorgerecht ein, muss sie diesen begründen. Sie kann also nicht mehr einfach nur "Nein" sagen, sondern muss dem zuständigen Gericht Gründe nennen, warum die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht entspricht. Der Vater hat also nach der Widerspruchslösung mit Abgabe seiner Sorgeerklärung und Feststellung seiner Vaterschaft das gemeinsame Sorgerecht. Es ist die Mutter, die hiergegen gerichtlich vorgehen muss.

II.

Wie ich bereits Herrn Raden geantwortet habe, muss das zuständige Familiengericht jeweils im Einzelfall entscheiden, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. Je mehr sich der Vater um eine Kooperation mit der Mutter bemüht, desto schwerer wird es dieser fallen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht entspricht. Insbesondere darf sie sich nicht auf eine reine Blockadehaltung zurückziehen. Sie muss dem Gericht konkrete Gründe nennen, warum es dem Kindeswohl nicht entspricht, wenn sie die Sorge gemeinsam mit dem Vater ausübt. § 1684 Abs. 2 BGB untersagt es den Eltern, das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil zu beeinträchtigen oder die Erziehung zu erschweren.

III.

Ein verpflichtendes Vermittlungsverfahren halte ich im Rahmen des Sorgerechtsantrags nicht für geboten. Dieser Weg steht den Eltern schon jetzt frei. Es würde die Entscheidungsfindung nur unnötig verzögern, da nicht davon auszugehen ist, dass die Eltern sich unter "Zwang" einigen, wenn sie dazu nicht von sich aus bereit sind.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen behilflich gewesen zu sein und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Stephan Thomae, MdB

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