Frage an Stephan Rothe von Marcus S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Rothe,
nochmals zum Thema Rheinbrücke:
1.) Empfinden Sie es nicht als Armutszeugnis für Rheinland-Pfalz bzw. für Deutschland, daß auf einer Strecke von fast 100 km (zw. Koblenz und Mainz) keine Brücke über den Rhein führt? Ich glaube, das ist bei so einem langen Fluß mit so vielen betroffenen Menschen nicht nur in Deutschland einzigartig, wahrscheinlich sogar in ganz Europa!
2.) Vögel hin und her - auch ich bin überzeugter Umweltschützer, aber es gäbe ja auch - wie von BUZ Bingen angeregt - eine Tunnellösung! Wie stehen Sie dazu?
3.) Ich kann es nicht verstehen, daß die Fähren eine solch starke "Lobby" haben - eine Brücke würde das Einzugsgebiet von Bingen um 180 Grad vergrößern. Der Rhein ist trotz Fähre - die kostenpflichtig ist - einfach eine unüberwindbare Grenze. Kaum ein Rüdesheimer findet den Weg nach Bingen, sei es zum Einkaufen, Kinobesuch etc. - glauben Sie nicht, daß eine Brücke bzw. Tunnel nicht nur für die regionale Wirtschaft bedeutend ist und dadurch neue Arbeitsplätze entstehen?
4.) Fähren auf so einer kurzen Distanz scheinen in der heutigen Zeit ein wenig unzeitgemäß und belasten doch auch die Umwelt, oder? Am besten, wir schaffen auch wieder die Autos ab, dann können wir uns wie vor 100 Jahren wieder per Pferd von Punkt A nach B bewegen! Ich verstehe die Politker nicht, die sich gegen diese Anbindung wehren!
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Spiel
Sehr geehrter Herr Spiel,
vielen Dank für Interesse an meinen politischen Standpunkten.
Trotz der leeren öffentlichen Kassen empfinde ich das Nichtvorhandensein einer Brücke nicht als Armutszeugnis. Es mag für unsere Breiten ungewöhnlich sein, aber wir haben um Bingen auch ungewöhnliche viele Fähren und eine ungewöhnlich malerische Landschaft, die zu Recht den Titel "Weltkulturerbe" trägt.
Ich bin kein Fährenlobbyist, halte aber die Fähren für eine adäquate Möglichkeit, auf die andere Rheinseite zu gelangen. Über 2 Jahre habe ich im Schichtdienst in Rüdesheim (Aulhausen) gearbeitet und fühlte mich nicht davon beeinträchtigt, auf die Fähre angewiesen zu sein - zumindest nicht mehr als von den werktäglichen Staus auf dem Mainzer Ring. Um mit den Fähren aus Rüdesheim nach Bingen-Stadt zu gelangen, benötigt man nicht mehr Zeit wie für eine Stadtbusfahrt von Dromersheim oder Sponsheim in die Innenstadt.. Insofern kann ich nicht nachvollziehen, warum der Rhein Ihnen unüberwindlich erscheint.
Ich glaube nicht an den großen Wirtschaftsboom durch den Brückenbau. Zwar wird Kaufkraft aus Rheingau nach Bingen fliessen, umgekehrt aber genauso - alles in allem also ein Null-Summen-Spiel. Arbeitsplätze werden durch den Wegfall der Fähren (nicht nur in Bingen - auch der Fährverkehr in Ingelheim und Nieder-Heimbach würde sich nicht mehr rechnen) vernichtet, nicht geschaffen. Die Verödung der Binger Innenstadt sehe ich eher im Kontext der Einkaufszentren auf der grünen Wiese, die dem mittelständischen Einzelhandel in den Innenstädten das Wasser abgraben.
Alle Pläne laufen darauf hinaus, dass die Rheinbrücke von einem Privatinvestor errichtet werden soll. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass für die Nutzung der Brücke Maut erhoben wird - wohl in vergleichbarer Höhe wie bei den Fähren. Ich möchte hier noch einmal meine Skepsis gegenüber privat finanzierten Infrastruktur-Projekten zum Ausdruck bringen. Sollte dem Investor während der Bauphase finanziell die Luft ausgehen, hätten wir in Kempten eine riesige Investitionsruine.
Eine Tunnel-Lösung wäre hinsichtlich des Naturschutzes sicher weniger bedenklich - ist aber noch teurer als ein Brückenbau. Hier ist ebenfalls die Frage, ob der neue (bemautete) Verkehrsweg so frequentiert wird, dass es sich rechnet. Der Rostocker Warnow-Tunnel ist hier ein warnendes Beispiel.
Insofern sehe ich die Fährverbindung als einen zukunftsfähigen Verkehrsweg für unsere Region. Ich setze mich für eine Verbesserung der Anbindung ein.. Eine 24h-Fähre, eingegliedert in den ÖPNV, schafft mehr Mobilität über den Rhein. Die Steuergelder, die bisher in Gutachten über den Brückenbau gesteckt wurdem, könnten die ÖPNV-Eingliederung und die Optimierung der Fährverbindung auf Jahre finanzieren.
Ich möchte weg vom motorisierten Individualverkehr, aber nicht zurück zu Pferd und Kutsche. Momentan gibt es zum Auto gerade im ländlichen Bereich keine vernünftige Alternative. Diese zu schaffen, ist eine Zielsetzung linker Verkehrspolitik.
Eine Verbesserung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (bis spät in die Nacht - auch in kleine Dörfer - bequem, pünktlich, preiswert - hohe Taktfrequenz) könnte dazu führen, dass die Bürger verstärkt ökologisch unbedenklichere Verkehrsmittel nutzen. Hier werbe ich für eine Umlagefinanzierung des ÖPNV - d.h. die BürgerInnen zahlen eine Abgabe (ähnlich wie z.B: Müllabfuhr) und können den ÖPNV kostenfrei nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Rothe