Wieso haben Sie noch als Regierungspartei während einer Pandemie (!) einen Intensivbetten-Abbau zugelassen und als alternativlos wegen Personalmangel hingestellt, wenn diese Betten so wichtig sind?
Sie betonen als Argument für Ihren Antrag eines Impfmechanismus, daß Sie damit einer Überlastung des Gesundheitswesens vorgebeugen. Wieso haben Sie dann aber als Mitglied der CDU/CSU, welche in der vorigen Regierung maßgeblich beteiligt war, zugelassen, daß während einer Pandemie (!) die Anzahl der Intensivbetten abgebaut wurde (Intensivbetten mit Invasivbeatmung, ist in den vergangenen neun Monaten von etwa 12.000 auf 9.000 gesunken https://tinyurl.com/intensivbett Ärzteblatt 16.9.21) und als alternativlos wegen Personalmangel hingestellt wurde. Seit dem Beginn der Krise hätte man sehr wohl Pflegekräfte auf Intensivbetreuung von Normalpflege umschichten und weiterbilden und auch besser bezahlen können, so dass die Nachfrage gedeckt geworden wäre? Notfalls hätte man sogar Pfleger reaktivieren können oder die Bundeswehr heranziehen wie auch für andere "Jobs" in der Krise. Es gibt immer Wege, wenn man wirklich will und es einem wichtig ist, oder?
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 22. März 2022 bzgl. des in der Tat teilweise vorherrschenden Mangels an Pflegekräften in Kliniken und Intensivstationen. Bitte entschuldigen Sie zunächst die späte Antwort, die auf ein Büroversehen zurückzuführen ist.
Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit vor Augen führen, dass wir in der vergangenen Wahlperiode in Regierungsverantwortung nicht ganz untätig waren, um es mal zurückhaltend zu sagen. Das Thema Pflege stand für uns als Union und mit "unserem" Gesundheitsminister Spahn nicht erst seit der Corona-Pandemie ganz oben auf der politischen Agenda. Die Auswirkungen des demografischen Wandels und des Fachkräftebedarfs machten und machen sich im Pflegebereich trotz stetiger Zunahme der Zahl der Beschäftigten besonders bemerkbar.
Seit Beginn der vergangenen Legislaturperiode lag für uns daher ein pflegepolitischer Schwerpunkt auf der Personalgewinnung und der Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe. Mehr Personal, das neben einer besseren Bezahlung auch mehr Kompetenzen erhält, war dabei ein zentraler Baustein.
Die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) hat hierfür wichtige Anregungen und Festlegungen geliefert. Es ist uns allen bewusst, dass „Applaus von Balkonen" nicht reicht, um Pflegekräfte für den Beruf zu gewinnen oder zu vermeiden, dass sie aufgrund der erheblichen psychischen und körperlichen Herausforderungen in andere Berufsgruppen abwandern. Hier galt und gilt es weiterhin anzusetzen.
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) wurde bereits im Jahr 2019 die Finanzierung zusätzlicher 13.000 Pflegefachkraftstellen für zugelassene vollstationäre Pflegeeinrichtungen sichergestellt sowie Fördermaßnahmen eingeführt, die darauf zielen, den Arbeitsalltag der Pflegekräfte spürbar zu verbessern.
Durch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz - GPVG wurden zudem seit dem 1. Januar 2021 zusätzlich 20 000 Pflegehilfskraftstellen finanziert.
In den Krankenhäusern wurde dafür gesorgt, dass es sich nicht mehr lohnt, auf Kosten der Pflege zu sparen. Seit dem Jahr 2020 werden die Personalkosten für die unmittelbare pflegerische Versorgung am Bett des einzelnen Krankenhauses im Rahmen des Pflegebudgets erstattet und zweckgebunden finanziert. Zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus wurden Pflegepersonaluntergrenzen in den pflegesensitiven Bereichen eingeführt.
Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) wurde auf unsere Initiative hin die Einrichtung eines Krankenhauszukunftsfonds zur Förderung notwendiger Investitionen, insbesondere in moderne Notfallkapazitäten, eine bessere digitale Infrastruktur (auch elektronische Pflegedokumentation), die Erhöhung der IT- und Cybersicherheit sowie der Ausbau regionaler Versorgungsstrukturen im Bereich der Krankenhäuser gesetzlich geregelt. Damit wurde der Koalitionsbeschluss vom 3. Juni 2020 in Bezug auf die Umsetzung eines „Zukunftsprogramm Krankenhäuser" mit einem Finanzvolumen von bis zu 4,3 Milliarden Euro (davon 3 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt) realisiert.
Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) und dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) hatten wir umfassende weitere gesetzliche Regelungen zur Stärkung der Digitalisierung wie die Einbindung der Pflege in die Telematikinfrastruktur auf den Weg gebracht.
Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Pflege werden bei der Gewinnung und Integration von Pflegekräften aus dem Ausland u. a. durch ein gesetzlich geregeltes Gütesiegel unterstützt, das hohe ethische Standards und Qualitätsvorgaben gewährleistet.
Das im Sommer 2021 in Kraft getretene Pflegepaket im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) hat zentrale Schritte für die Altenpflege umgesetzt: Ab dem 1. September 2022 werden in der Pflegeversicherung nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen. Damit wird für viele Beschäftigte eine bessere Bezahlung gesichert. Der Pflegeberuf wird zudem attraktiver gemacht, weil die Pflegekräfte mehr Eigenverantwortung in der Versorgung erhalten. Durch die schrittweise Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens in der vollstationären Altenpflege gelten dort zudem künftig einheitliche Personalschlüssel. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege gehörte zu den wichtigsten Anliegen der Pflege- und Gesundheitspolitik der von uns in der letzten Wahlperiode gestellten Bundesregierung. Mit dem Pflegepaket haben wir zudem sichergestellt, dass insbesondere Pflegebedürftige, die länger im Pflegeheim wohnen, durch eine zeitlich gestaffelte prozentuale Reduzierung der pflegebedingten Eigenanteile entlastet werden. In der ambulanten Pflege und für die Kurzzeitpflege wurden gleichzeitig die Sachleistungsbeträge erhöht, um Pflegebedürftige finanziell nicht zu überfordern. Darüber hinaus haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen, dass in der Kurzzeitpflege mehr Plätze als bisher zur Verfügung stehen werden.
Die Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie hat die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen vor enorme Herausforderungen gestellt. Es war notwendig, die Auswirkungen durch die Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie durch infrastrukturerhaltende Maßnahmen und durch Unterstützung für die Betroffenen abzufedern. Wir haben für eine schnelle, verlässliche und umfangreiche finanzielle Unterstützung der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, aber auch der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen gesorgt. Die größte Last im konkreten Alltag lag und liegt noch immer bei den Pflegekräften. Die Corona-Prämie zur Anerkennung der besonderen Leistungen war deshalb ein wichtiges Zeichen, das wir um Maßnahmen für eine bessere Bezahlung, eine gute Personalausstattung und attraktive Arbeitsbedingungen mit dem GVWG ergänzt haben, ebenso wie es der von der jetzigen Bundesregierung vorgesehene Pflegebonus sein wird.
Ich bin gespannt, welche strukturellen und damit dauerhaft wirksamen Maßnahmen die Ampel-Koalition und Bundesminister Lauterbach zur Stabilisierung der Pflegesituation in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen auf den Weg bringen will. Außer wagen Ankündigungen habe ich noch nicht viel dazu gehört. Wir als Unionsfraktion werden uns hier jedenfalls konstruktiv in die Debatte einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Pilsinger, MdB