Frage an Stephan Kühn von Otto M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werter Parteikollege Kühn,
Können Sie mir kurz Ihre Gedanken zur Bundeswehr, der Wehrpflicht und dem Zivildienst mitteilen?
Konkret: der Antrag der Grünen zur Abschaffung der Bundeswehr wurde abgelehnt - dem darauffolgenden Antrag zur Wehrpflichtverkürzung hatten Sie nicht zugestimmt. Warum? - Prinzipiell oder gab es Probleme im Detail?
Ideale Welt: kein Staat hat mehr Militär.
Bei allem Idealismus und Hoffen können wir leider nicht zu 100% ausschließen, dass wir uns irgendwann mal wieder gegen Kräfte außerhalb Europas verteidigen müssen. Aber brauchen wir überhaupt Schutz vor euopäischen Nachbarstaaten?
Ich sage Nein. Also, wozu Bundeswehrreform? Warum nicht gleich Abschaffung der BW (und aller anderen nationalen EU-Ameen) und Gründung einer Europäischen Verteidigungsarmee?
Verteidigungs vs. Interventionsarmee: brauchen wir wirklich eine Interventionsarmee?
Wenn nicht? Warum wollen wir dann die Umgestaltung zu einer reinen Berufsarmee? Zur Verteidigung (so meine These) reicht eine Wehrpflichtigen Armee.
Spitz: Ist es trotz aller neuen Liberalität nicht mehr möglich die Jungen zum (Kurz-) Dienst zum Wohle der Allgemeinheit zu verpflichten? Ist das schon Faschsismus oder im Sozialstaat legitiem?
Welche Rolle spielt bei ihren Überlegungen der Anstieg der Kosten, den eine reine Berufsarmee mit sich bringt?
Welche Entwicklung nimmt die Bundeswehr wenn sie nicht mehr bunt gemischte Bürger in Uniform rekrutiert, sondern zum Auffangbecken für unterqualifizierte, schlecht gebildete, auf dem Abeitsmarkt chancenlose und demokratiefremde Präkariatsangehörige wird?
... (soll erst einmal reichen) mfg, O. Michels
Sehr geehrter Herr Michels,
auf die von Ihnen aufgeworfenen Fragen möchte ich kurz mit einigen grundsätzliche Gedanken zur Abschaffung der Wehrpflicht antworten. Auch wenn die Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht zum 1.7.2011 vor allem aus finanziellen Gründen erfolgte haben Bündnis 90/Die Grünen dem Antrag der Regierungsfraktionen zugestimmt. Einer der Gründe war die fehlende Gerechtigkeit bei der Einberufung. Faktisch konnte zuletzt von einer Allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland keine Rede mehr sein. Nur noch ein Bruchteil der Wehrpflichtigen wurde noch zum Wehrdienst eingezogen. Die neuen Aufgaben der Bundeswehr im Rahmen von völkerrechtlich mandatierten Einsätzen im Ausland macht eine Veränderung der Strukturen notwendig.
Grundwehrdienstleistende wurden im Rahmen dieser Missionen nicht eingesetzt – die Ausbildung und Musterung nahm aber Ressourcen in Anspruch, die zur eigentlichen Erfüllung dieser neuen Aufgaben nicht mehr zur Verfügung standen. Zudem stehen die Ressourcen, die für die Ausbildung von Wehrpflichtigen aufgewendet werden müssen in keinem Verhältnis zum, durch kurze Dienstzeiten begrenzten, Nutzen. Je kürzer die Dienstzeiten, desto stärker ist dieser Effekt. Einer der Gründe warum ich gegen die Verkürzung der Wehrpflicht gestimmt habe.
Eine Auflösung der Bundeswehr zu Gunsten einer europäischen Armee im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik erscheint plausibel, hängt aber von vielen Faktoren ab. Nicht zu letzt dürfte der Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee nicht bei einer Überführung in eine gemeinsame europäische Armee verloren gehen. Unseren hohen Standard in Sachen parlamentarischer Kontrolle sollte nicht aufgegeben werden. Eine Stärkung des europäischen Parlamentes ist Voraussetzung für eine Europäische Armee.
Auch wenn heute eine gemeinsame europäische Armee noch in weiter Ferne scheint, ist europäische Kooperation an der Tagesordnung und kann weiter ausgebaut werden – auch um Kosten einzusparen. Auf europäischer Ebene könnten verstärkt Synergieeffekte genutzt und Aufgaben geteilt werden. Dies ließe dann auch eine Verkleinerung der nationalen Armeen zu.
Mit besten Grüßen
Stephan Kühn