Frage an Stephan Kühn von Martin K. bezüglich Petitionen
Sehr geehrter Herr Kühn,
die Auschwitzüberlebende Esther Bejarano und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten fordern, dass der 8. Mai ein bundesweiter Feiertag werden muss. Dieser Forderung haben sich weitere Überlebende, unter ihnen Peggy Parnass, Ernst Grube, Peter Neuhof, Hans Coppi und Marianne Wilke, angeschlossen. Auf der Petitionsplattform change.org kamen in kurzer Zeit über 120.000 Unterschriften zusammen. Zivilgesellschaftliche Akteure und Kunstschaffende wie "Die Vielen" unterstützen das Anliegen ebenfalls. Auch aus der Politik gab es über Parteigrenzen hinweg Zustimmung, den 8. Mai als Feiertag einzuführen.
Meine Frage an Sie lautet: Welche konkreten Schritte haben Sie bereits unternommen oder planen Sie, damit der 8. Mai 2021 endlich ein bundesweiter Feiertag wird?
Mit freundlichen Grüßen
M. K.
Sehr geehrter Herr Kürsten,
am 8. Mai 1945 wurde das nationalsozialistische Terrorregime von den alliierten Streitkräften besiegt. Zwölf Jahre lang hatte Deutschland unfassbares Leid über die Menschheit gebracht. Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden von Deutschen ermordet. Die endgültige Niederlage der nationalsozialistischen Massenmörder war, wie Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede 1985 sagte, ohne Frage ein „Tag der Befreiung“. Der 8. Mai ist für uns deshalb ein Datum, das uns mit Dankbarkeit gegenüber den Ländern erfüllt, die das nationalsozialistische Regime besiegten und damit ein demokratisches Deutschland erst möglich machten. Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands war der erste Schritt hin zu Freiheit und Menschenrechten, auch wenn es bis 1989 dauern sollte, bis diese in ganz Deutschland erkämpft wurden.Wir finden daher die Initiative, den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag einzuführen, wichtig, um eine breite Debatte in Gesellschaft und Politik in Gang zu setzen.
Denn es ist ein Tag, der zum Nachdenken und zur öffentlichen Debatte anregt, ein komplexes und ambivalentes Datum. Unmittelbar nach Kriegsende folgte für einige Jahre eine anarchische „Wolfszeit“ (Harald Jähner); für viele Menschen begann neues Leiden. Die Vertreibungen von vielen Millionen Deutschen hatten auch ihre Ursache in der mörderischen Expansionspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands. Auch dessen sollten wir uns an diesem Tag bewusst sein. Denn gerade in Zeiten von Rechtspopulismus und neuem Nationalismus gilt es an die Folgen der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik zu erinnern. Für uns ist es allerdings wichtig, dass solch ein Tag starke gesellschaftliche Verankerung findet, damit es tatsächlich ein Tag des Erinnerns und Mahnens wird – und nicht nur ein weiterer arbeitsfreier Tag. Auf dieser Basis sollten die Parlamente darüber debattieren, ob der 8. Mai tatsächlich ein gesetzlicher Feiertag wird oder ein Gedenktag.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn