Frage an Stephan Kühn von Günther S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Die Diskussion um den angestrebten Renteneintritt mit 67 Jahren und älter hat inzwischen große Teile unserer Bevölkerung ergriffen und wird weiter zunehmend auch in öffentlichen Diskussionen ausgetragen werden. Es ist also höchste Zeit, dass alle Abgeordneten des Deutsche Bundestages öffentlich zu diesem Thema Stellung beziehen. Daher erhalten Sie hier über abgeordnetenwatch.de meine Frage. Da die Anhebung des Renteneinstiegsalters und die Modifizierung der "Schutzklausel" erst nach 2010 wirksam werden, besteht noch in diesem Jahr Handlungsbedarf durch Sie.
In den vielfältigsten Begründungen wird u.a. ausgeführt:
Durch das Zusammenwirken von Geburtenrückgang und ansteigender Lebenserwartung stehen immer weniger Erwerbstätige einer immer größer werdenden Zahl von Rentenempfängern gegenüber. Während die Menschen vor 40 Jahren durchschnittlich noch sieben Jahre Rente bezogen, liege die Bezugsdauer heute bei 17 Jahren.
Diese vorliegenden Aussagen sind höchst fragwürdig, weil der wissenschaftlich -technische Fortschritt nicht zum Fluch der betroffenen Menschen erklärt werden darf. Wenn heute ein Geburtenrückgang in Deutschland und Europa beklagt wird, so wird gleichzeitig die weltweite Bevölkerungszunahme bei dieser Betrachtungsweise ignoriert.
Auch eine mit dem Gesetz beschossene Initiative 50plus (BT-Drs. hat keinerlei nachweisbare Veränderungen bringen können. Junge Menschen, ob Schulabgänger oder Studenten haben große Probleme beim Berufseinstieg. Durch die immer stärkere Verdichtung der Arbeitsabläufe werden immer wieder Menschen aus den Arbeitsprozessen herausgedrängt. Seit mehr als 20 Jahren besonders in Deutschland über den Weg der Frühverrentung. Die dabei nachträglich eingeführten lebenslangen Rentenkürzungen durch Abschläge bis zu 18% waren bereits eine Dreistigkeit der Politik und hat zum großen Teil zu den heute beklagten Niedrigrenten geführt. Wollen Sie diesen unrühmlichen Weg durch die Anhebung des Renteneintrittsalters wirklich fortsetzen?
Sehr geehrter Herr Sorgalla,
Sie haben mir Ihre Bedenken zur sogenannten „Rente mit 67“ mitgeteilt. Dafür möchte ich mich bedanken und Ihnen einige meiner Gedanken und grüne Konzepte zur Modernisierung der Erwerbstätigkeit im Alter zukommen lassen. Wir Grüne bemühen uns um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Generationen. Deshalb gehen wir davon aus, dass eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit dazu beitragen kann, die nachkommenden Generationen der Jüngeren nicht über Gebühr zu belasten. Dies setzt allerdings – wie eingangs ausgeführt – eine bessere Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen voraus. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht – wenn die Erhöhung der Regelaltersgrenze nicht lediglich zu einer versteckten Kürzung der Renten führen soll. Die stärkere Erwerbsbeteiligung von Älteren ist aus unserer Sicht auch angesichts des heute schon bestehenden und sich verschärfenden Fachkräftemangels dringend geboten.
Wer aus gesundheitlichen Gründen bzw. wegen einer Behinderung nicht bis zum Rentenalter arbeiten kann, muss weiterhin die Möglichkeit erhalten vorzeitig in Rente gehen zu können. Die Anhebung der Regelaltersgrenze für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente durch die große Koalition war ein Fehler. Wir setzen uns für flexiblere Übergänge in den Ruhestand ein. Wir wollen, dass die „Teilrente“ vereinfacht und der Zugang zu ihr erleichtert wird: Wer seine Arbeitszeit reduzieren will, soll ab dem 60. Lebensjahr eine Teilrente beantragen können. Für die Teilrente sollen versicherungsmathematisch korrekte Abschläge erhoben werden. In der verbleibenden Arbeitszeit sollen die Beschäftigten weiterhin uneingeschränkt versichert sein, damit sie auch neue Rentenansprüche aufbauen können. Zudem haben wir ein Konzept zur Bekämpfung von Altersarmut vorgelegt. Wir wollen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, dass sie als langjährig Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein werden. Deswegen ist die Einführung einer „Garantierente“ notwendig, durch die die Rentenanwartschaften auf ein Mindestniveau angehoben werden.
Vorsorge für das Alter benötigt Vertrauen. Dieses Vertrauen kann aber nur dann entstehen, wenn in der Rentenpolitik nicht Jahr um Jahr eine große Kurswende vollzogen, sondern langfristig Orientierung geboten wird. Die Menschen müssen sich bei ihrer Lebensplanung über Jahrzehnte auf die Rentenpolitik einstellen können, damit sie angemessen handeln können.
Wenn Sie dieses Thema weiterhin verfolgen möchte, empfehle ich Ihnen unseren entsprechenden Antrag (Bundestags-Drucksache 16/3812), in dem wir u.a. auffordern:
• ein Konzept vorzulegen, aus dem hervorgeht, wie die Erwerbsintegration von Älteren schrittweise verbessert werden kann, so dass ältere Beschäftigte, die gesundheitlich dazu in der Lage sind, auch tatsächlich erwerbstätig sein können,
• dazu in den Rentenversicherungsberichten ab 2008 alle zwei Jahre über die Erwerbstätigenquote von Beschäftigten ab dem 55. Lebensjahr zu berichten und darzulegen, ob die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen Erfolg haben,
• ggf. weitergehende Maßnahmen vorzuschlagen,
• gemeinsam mit der Wirtschaft alles dafür zu tun, um zukünftig eine deutlich verbesserte Erwerbsbeteiligung von älteren Beschäftigten zu erreichen,
• die Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen in Deutschland zu verbessern, um die Weiterbildungsbeteiligung älterer Beschäftigter und damit auch die Erwerbsintegration zu erhöhen,
• die gemeinsamen Anstrengungen vor allem auf ältere Beschäftigte mit geringer Qualifikation und unterbrochenen Erwerbsverläufen zu konzentrieren.
Außerdem wird die Bundesregierung im November 2010 einen „Bericht über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer“ vorlegen. In diesem Zusammenhang wird es weiter nötig sein, dass kritische Bürgerinnen und Bürger wie Sie konstruktiv zur Weiterentwicklung des sozialen Sicherungssysteme beitragen. Ich freue mich, auch weiterhin darüber mit Ihnen im Dialog zu stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn