Frage an Stephan Kühn von Sven K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Kühn,
aus welchem Grund sollten keine Studiengebühren eingeführt werden bzw. sollte das Erststudium gebührenfrei sein? Meiner Meinung nach, solltem jedem 10* Studiensemster (nicht Fachsemester; so dass auch ein Studienwechsel möglich ist) freistehen. Dann sollte beispielsweise ein Beitrag von 100 Euro für das 11 Semester, 200 für das 12., 400 für das 13. Semester, also immer das doppelte des vorherigen Semsters, erhoben werden.
Dadurch würde indirekt die Regelstudienzeit eher eingehalten (Fachschafts- oder Studentenratbeteiligungen könnten ja durch ein zusätzliches kostenloses Studiensemester honoriert werden) und diejenigen, die sich ein längeres oder zweites Studium leisten wollen/können, würden der Hochschule Gebühren einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Klemm
*meisten Studiengänge dauern 5 Jahre => 6 Semester BA + 4 Semester Master
Sehr geehrter Herr Klemm,
nur 23 von 100 jungen Menschen schließen ein Hochschulstudium in Deutschland erfolgreich ab. Im internationalen Vergleich (vgl. OECD-Bildungsbericht 2009) sind wir unter den Industrieländer fast Schlusslicht: in den USA sind es 40 von 100, in Norwegen 43 von 100 und in Kanada sogar 56 von 100. In einer Wissensgesellschaft wird eine akademische Ausbildung mehr und mehr zum Ausgangspunkt für beruflichen Erfolg. Mit dieser geringen Absolventenquote werden wir große Probleme haben, dem absehbaren Fachkräftemangel zu begegnen. Wollen wir gestärkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise kommen, müssen wir in Bildung von höhere Qualifikationen investieren. Wir müssen verstärkt junge Menschen für ein Studium gewinnen, deren Familien keinen akademischen Hintergrund haben. Alle Erfahrungen und Untersuchungen zeigen, dass Studiengebühren insbesondere diese jungen Erwachsenen vom Studium abhalten! Anders ausgedrückt: Studiengebühren, gleich welcher Art, schrecken junge Menschen aus einkommensarmen Elternhäusern vom Studieren ab und zementieren den starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland.
Richtig ist, nur die wenigsten Studierenden schaffen ihr Studium in der Regelstudienzeit. Das liegt nicht an ihrer vermeintlichen Faulheit, sondern an unzureichenden Bedingungen. Erst wenn die neuen Studiengänge (Bachelor- und Master-Studiengänge) tatsächlich studierbar sind, keine Nebenjobs mehr notwendig sind (bessere Studienfinanzierung!) und ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung stehen (Studieren mit Kind), ist das Studium in der Regelstudienzeit für die Mehrheit der Studierenden realistisch. Vor der Strafgebühr muss deshalb eine Verbesserung der Studienbedingungen kommen! Wenn auf 100 Studierende ein Hochschullehrer kommt, ist klar, dass die notwendige Betreuung der Studierenden gar nicht möglich ist. Studiengebühren für Langzeitstudierende verursachen zudem einen hohen Verwaltungsaufwand und werden kaum Geld einbringen. Schon jetzt können Studierende exmatrikuliert werden, wenn sie vier Semester länger studieren als die Regelstudienzeit vorsieht. Zu befürchten ist, dass die von CDU und FDP im Koalitionsvertrag aufgeführten Studiengebühren für Langzeitstudierende die Hintertür ist, um generelle Studiengebühren einzuführen bzw. den Hochschulen es ermöglicht werden soll, in Eigenregie Studiengebühren erheben zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn