Frage an Steffen Kanitz von Jens Gunnar C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, Herr Kanitz.
Auf welche Fachleute, die nicht reine Verfolger- / Jägerinteressen vertreten haben Sie sich bei Ihrer Beratung zur Vorratsdatenspeicherung eigentlich verlassen? Haben Sie auch mal die Seite derjenigen gehört, die die Rechte all jener Menschen vertritt, die sich auch mal gegen die wissbegierige Staatsmacht verteidigen müssen? Kennen Sie eigentlich die schattenreiche Geschichte des Freiheitskampfes für Die Bürgerrechte, die hier nach und nach eingeschränkt oder abgeschafft werden? Erst wenn Sie oder Ihnen naherstehende Menschen möglicherweise zu Unrecht betroffen sind werden Menschen wie Sie bemerken, was sie angerichtet haben. Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu erhalten, wird beides verlieren!
Sorgenvolle Grüße, Jens G. Cordes
Sehr geehrter Herr Cordes,
vielen Dank für Ihre Mail zur Vorratsdatenspeicherung.
Sie äußern Kritik an den Plänen zur Speicherung von Verbindungsdaten. Ich versichere Ihnen: Das in der EU-Grundrechtecharta verankerte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten hat auch für mich einen hohen Stellenwert.
Ich möchte jedoch darauf hinzuweisen, dass dem mittelbaren Eingriff in die Grundrechte des Bürgers in Form der Speicherung von Verbindungsdaten gleichzeitig die staatliche Pflicht zur Strafverfolgung bei begangenen Straftaten sowie zum Schutz der Bürger vor Straftaten gegenüber steht.
Erfahrungsgemäß ist der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung größer als die von ihr ausgehenden Gefahren, zumal es nicht um die Speicherung von Inhalten geht. Dies umso mehr, wenn - wie vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz vorzulegen ist - die Nutzung der gespeicherten Verbindungsdaten in eine sprachlich unmissverständliche gesetzliche Regelung unter Beachtung der Maßgaben des EuGH und des BVerfG einfließen wird. Klare Regeln zu Datensicherheit, Umfang der Datenverwendung, Löschung, Transparenz und Rechtsschutz werden erforderlich sein. Ein diffuses Gefühl von Bedrohung und Überwachung wäre freiheitswidrig und darf nicht entstehen.
Die Wiedereinführung der Speicherung von Verbindungsdaten ist alternativlos. Erfahrene Praktiker aus den Ermittlungsbehörden sowie die meisten Innenminister der Länder weisen uns auf die Notwendigkeit der Speicherung von Verbindungsdaten hin. Bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung hilft die Vorratsdatenspeicherung in besonderem Maße. Das gleiche gilt bei der Verfolgung terroristischer Verbrechen, zur Namhaftmachung von Mitgliedern terroristischer Netzwerke oder von solchen in der Organisierten Kriminalität.
Telekommunikationsverbindungsdaten spielen aber auch bei der Aufklärung von schweren Straftaten eine wichtige Rolle, bei denen das Internet als Tatmittel genutzt wurde, zum Beispiel bei der strafrechtlichen Verfolgung der Kinderpornographie. In diesen Fällen ist die aufgezeichnete IP-Adresse oftmals der erste und zunächst einzige erfolgversprechende Ermittlungsansatz für weitere Maßnahmen und daher unverzichtbar.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will die Bürger bestmöglich schützen und befürwortet daher eine gesetzliche Grundlage für die Speicherung von Verbindungsdaten. Es geht dabei vor allem um Daten, die die Telekommunikationsunternehmen schon heute zum Beispiel für die Telefonrechnung speichern. Die Übermittlung und Verwendung dieser Daten durch staatliche Ermittlungsbehörden darf nur anlassbezogen erfolgen. Sie setzt den Verdacht einer gesetzlich definierten Straftat oder konkreten Gefahr voraus. Ohne einen solchen Anlass - also in aller Regel - werden die Daten nach der festgesetzten Frist von 10 Wochen ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie jemals zu sehen. Damit besteht ein entscheidender Unterschied gegenüber Datensammlungen von Google, facebook, Payback etc., die die Daten in ihrer Gesamtheit gerade zu dem Zweck erheben, diese umfassend z.B. zu Werbezwecken auszuwerten und möglichst viel über möglichst viele Nutzer zu erfahren.
Weitere Details der Einigung finden Sie auf der Homepage des Bundesministerium des Innern ( www.bmi.bund.de ) sowie auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ( www.bmjv.de ).
Es ist vernünftig, dass in absehbarer Zeit eine gesetzliche Regelung kommt. Ich bin überzeugt: Es wird gelingen, die notwendige und gebotene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu wahren. Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof haben der Vorratsdatenspeicherung nicht generell eine Absage erteilt, sondern einen Rahmen für eine rechtliche Regelung gesetzt. Die grundrechtssensiblen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wollen wir jetzt zügig umsetzen.
Die Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht sehen dementsprechend vor, dass die IP-Adressen und Verbindungsdaten höchstens zehn Wochen gespeichert werden dürfen. Nach Ablauf der Speicherfrist müssen die Daten sofort gelöscht werden. Hält sich ein Provider nicht daran, wird dies mit einem Ordnungsgeld belegt. Komplett von der Speicherung ausgenommen werden sollen E-Mails. Standortdaten sollen maximal vier Wochen gespeichert werden. Auf sie darf nur vereinzelt zugegriffen werden. Bewegungsprofile sind nicht möglich. Die Daten müssen im Inland gespeichert werden. Nur zur Klärung schwerer Straftaten darf auf die Daten zugegriffen werden. Berufsgeheimnisträger werden besonders geschützt. Bei der Speicherung der Daten gilt die höchste Sicherheitsstufe für Provider. Um Strafbarkeitslücken zu schließen, wird zudem die "Datenhehlerei" unter Strafe gestellt werden. Weiterhin ist vorgesehen, dass die Daten nur mit richterlicher Erlaubnis abgerufen werden dürfen. Betroffene sollen zudem grundsätzlich informiert werden. Die Ausnahme von Berufsgeheimnisträgern, die Beschränkung auf sehr schwere Straftaten, sehr klare Regelungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit und beschränkte Speicherfristen sind richtig und notwendig.
Unsere Freiheit erhalten wir nur, wenn sie geschützt und verteidigt wird. Daher schließen sich Freiheit und Sicherheit nicht gegenseitig aus, sondern sie bedingen sich. Wer Freiheit und Sicherheit gegeneinander ausspielt, dem ist im Ergebnis weder an dem einen noch an dem anderen gelegen. Daher sind die vorgestellten Eckpunkte ein guter Beginn eines wichtigen Gesetzesvorhabens.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Steffen Kanitz MdB