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Steffen Bilger
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Frage von Magnus R. •

Frage an Steffen Bilger von Magnus R.

Lieber Herr Bilger,

da sie gegen die Ablehnung von Schiedsgerichtsverfahren bei CETA und TTIP gestimmt haben, wollte ich sie befragen.
Wie beurteilen sie die Sorgen einer grossen Zahl Menschen in Deutschland, die in diesen Verfahren den Einstieg in die Aushebelung des Rechtsstaats sehen und um die demokratischen Grundordnung fürchten?

Vielen Dank für ihre Antwort und
Herzliche Grüsse

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Rembold,

danke für Ihr Schreiben zu den Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP). Sie sprechen damit kein leichtes Thema an. Bitte lassen Sie mich erklären, warum für mich die Vor- die Nachteile überwiegen.

Grundsätzlich sehe ich Schiedsgerichte durchaus ähnlich kritisch wie Sie! Auch andere Kollegen und Experten aus dem Bundeswirtschaftsministerium sind mittlerweile dieser Auffassung. Allerdings, so merkwürdig wie das klingt, ist die Bedeutung dieses Teiles des Abkommens erst so richtig durch die Verhandlungen mit den USA ins Bewusstsein geraten. Da war es bei Kanada bereits zu spät. Der Grund, warum sich die Bundesrepublik bisher nicht gegen diesen Punkt gewehrt hat ist, dass solche Abkommen immer auch als Blaupausen für ähnliche mit weniger entwickelten Staaten angesehen werden. Im Grunde wünschen sich Wirtschaftsexperten ein Standard-Abkommen, welches man dann einfach nur noch minimal bei anderen Staaten abändern muss.
Dieses Denken hat seine Vorteile. Es übersieht aber, dass das Gute bei bilateralen Abkommen ja eben ist, dass man über alles einzelne verhandeln kann. Außerdem kann man Abkommen ja auch aus verschiedenen Versatzstücken zusammensetzen. Wenn ich die Diskussion richtig sehe, wird dies in Zukunft bei anderen Abkommen nicht mehr vorkommen.

Die Verantwortlichen aus dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium haben auch deshalb nie Einwände geltend gemacht, weil die Fälle, in den Deutschland vor das Schiedsgericht in Washington D.C. zitiert wurde, sehr selten sind. Das einzige mir bekannte Verfahren gegen Deutschland ist der des schwedischen Unternehmens Vattenfall wegen der Energiewende (und vorher bereits einmal wegen einer anderen Sache). Jetzt fragt man sich etwas verwundert, wie kann ein Unternehmen aus einem EU-Staat einen EU-Staat verklagen? Dies hat in diesem Fall nichts mit Freihandelsabkommen zu tun, sondern mit Investitionsschutzregeln des internationalen Energiecharta-Vertrags.
Wir haben bisher über 130 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen. Bisher wurden wir – soweit mir bekannt – noch nie wegen eines Freihandelsabkommen verklagt. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass sich dies bei einem Staat wie Kanada nicht ändern wird. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass wir – schließlich ist Deutschland (von der Energiewende einmal abgesehen) ein extrem verlässlicher Staat für Investoren – wegen des Freihandelsabkommens und der darin enthaltenen Investorenschutzklauseln in Zukunft von einem kanadischen Unternehmen verklagt werden sollten. Bei US-amerikanischen Unternehmen sieht es ähnlich aus.
Außerdem haben mir Unternehmer erzählt, dass es auch für sie als deutsche Firmen interessant sein kann, auf Schiedsgerichte zurückzugreifen. Es ist deshalb auch gerade die deutsche Wirtschaft, die sich für die Beibehaltung dieser Klausel in den Freihandelsabkommen einsetzt. Immerhin kommt es selbst in Rechtsstaaten gelegentlich vor, dass nationale Interessen die Gerichte beeinflussen.

Klagen gegen Deutschland (zumindest theoretisch) liegen im Bereich des Möglichen, so überwiegen für mich doch die handfesten und greifbaren Vorteile von CETA/TTIP gegenüber einer eventuellen, aber sehr unwahrscheinlichen, Klage vor dem Internationalen Schiedsgericht. Es ist ja auch nicht so, dass man die Bundesrepublik immer vor solchen Schiedsgerichten verklagen könnte. Es geht nur um Fälle, wo auf einmal grundlegende Rahmenbedingungen geändert werden.
Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Dementsprechend räumt das Investitionsschutzkapitel in CETA nur solchen Investitionen Schutz ein, die unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Anlagelandes getätigt wurden, in Deutschland also im Einklang mit deutschen Recht und EU-Recht stehen. Außerdem enthält CETA eine Regelung, wonach nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, keine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die betreffenden Maßnahmen manifest unverhältnismäßig sind. Dann wären sie aber bereits nach deutschem Verfassungsrecht rechtswidrig, so dass CETA insoweit keine zusätzlichen Ansprüche für Investoren schafft.
Außerdem müssen wir uns immer mit unseren europäischen Partnern abstimmen – und dort hat man kein Verständnis für unsere sehr deutsche Diskussion. Viele EU-Staaten sind für die Investorenschutzklauseln. Dennoch: Dass viele Menschen sich Sorgen machen und diese – wie Sie – artikulieren, hat mich durchaus beeindruckt. Wir haben aus der Diskussion gelernt und ich werde mich dafür einsetzen, dass dieser Passus in zukünftigen Abkommen nicht mehr enthalten sein wird.

Wenn Sie noch Rückfragen haben, können Sie sich gerne auch direkt bei mir melden.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Bilger MdB

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