Frage an Steffen Bilger von Olga A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Warum stimmen Sie für genmanipulierten Mais, obwohl ein hoher Prozentsatz der
Bürger, die Sie repräsentieren, dagegen sind. Ausserdem ist bekannt, dass die
deutsche Bevölkerung gegen militärische Einsätze im Ausland ist. Trotzdem stimmen
Sie dafür, gegen die vorherrschende Meinung der Bürger, die Sie ja eigentlich vertreten. Ist das das Modell einer repräsentativen Demokratie? Und wie denken Sie,
dieses Demokratiemodell betreffend, über den Vorgang "Fraktionszwang"??? Ist das
noch die demokratische Staatsform, die wir angeblich haben?
Sehr geehrte Frau Arnold,
danke für Ihre Fragen. Ich hätte mich allerdings doch gefreut, in Ihrer Nachricht etwas mehr Förmlichkeit und Informationen vorzufinden. Nun versuche ich auf Ihre knappen Stakkatofragen zu antworten.
Ich habe nicht für genmanipulierten Mais gestimmt – sondern einen Antrag der Grünen abgelehnt. Das ist nicht Wortklauberei – sondern Parlamentsarbeit. Aus persönlicher Überzeugung tue ich mir aber mit genmanipuliertem Mais schwer. Jedenfalls heißt mein „Nein“ zu diesem grünen Antrag nicht, dass ich für ein „Ja“ bei gentechnisch verändertem Mais bin!
Wenn Sie behaupten, die Deutschen seien mehrheitlich gegen Auslandseinsätze, wäre es gut, wenn Sie dies (beispielsweise) gleich durch einen Link zu einer Umfrage darlegen könnten. Mir sind aus der letzten Zeit vor allem Umfragen bekannt, dass sich 45 Prozent gegen mehr Auslandseinsätze aussprechen. „Die deutschen Bevölkerung“ scheint also nicht gegen Auslandseinsätze zu sein, sondern knapp die Hälfte der Befragten einer Umfrage gegen eine Ausweitung.
Grundsätzlich scheinen Sie der Meinung zu sein, Politiker sollten ihre Überzeugungen nach Umfragen ausrichten. Dies entspricht nicht der Beschreibung des Grundgesetzes (Artikel 38). Danach sind Abgeordnete nur ihrem Gewissen verantwortlich. Die interessanten Reaktionen auf die direkte Demokratie nach der Schweizer Abstimmung zur Zuwanderung zeigen auch, dass die Volksmeinung auch immer gerne genutzt wird, wenn es die eigene ist. Wenn aber „das Volk“ einmal gegen die herrschende veröffentlichte Meinung ist, bekommt das Volk auch gleich einen medialen Shitstorm präsentiert. Sind Sie also der Meinung, dass wir Politiker uns dafür verkämpfen sollten, dass die Sozialleistungen für Ausländer Zuwanderer deutlich eingeschränkt werden – wie es 80 Prozent der Deutschen wollen ( http://www.bild.de/politik/inland/zuwanderung/sozialleistungen-fuer-zuwanderer-nach-halbem-jahr-34076044.bild.html )? Ich bin ein überzeugter Vertreter der repräsentativen Demokratie. Wir fahren seit 1949 damit sehr gut. Die Überzeugungen der CDU – meiner Partei – sind in den meisten Themen seit Jahren bekannt. Wer diese Meinungen nicht teilt, kann selbstverständlich eine andere Partei wählen.
Es gibt keinen Fraktionszwang. Jeder Abgeordnete ist – wie bereits geschrieben – nur seinem Gewissen verantwortlich. Kollegen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beweisen immer wieder öffentlichkeitswirksam, dass es keinen Zwang gibt. Sehr wohl gibt es aber eine Fraktionslinie. Anders ist ein Parlamentsbetrieb (und schon gar nicht eine Regierungsbeteiligung) zu bewältigen. Beispielhaft kann man an den USA sehen, wie eine schwache Fraktionsführung zu chaotischen Verhältnissen im US-Senat und Repräsentantenhaus führt. Wenn Sie sich dafür interessieren, müssen Sie nur einmal das Schlagwort „USA Haushaltssperre“ im Internet eingeben. Auch deshalb kann ich dem sanften Druck der Fraktionsspitze meistens durchaus etwas abgewinnen. Dieser Bereich wird übrigens bei der ganz großen Mehrzahl meiner Kollegen im Bundestag vollkommen unkritisch gesehen. Es gibt sowieso nur wenige Themen, bei denen Abgeordnete anderer Meinung sind als die von uns demokratisch gewählten Fraktionsvorsitzenden. Schließlich sind wir nicht umsonst alle Parteimitglieder und teilen bei den meisten Themen die selbe Meinung.
Wenn Sie anderer Meinung sind, können Sie mir gerne ausführlicher schreiben, beispielsweise auch an meine E-Mail-Adresse steffen.bilger@bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bilger MdB