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Stefanie von Berg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Benigno d. •

Frage an Stefanie von Berg von Benigno d. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. von Berg,

Warum unterstützen sie eine Verfassungsänderung die die beispielhafte direkte Demokratie in Hamburg aushebelt? Das beantragte Verfahren für „Bürgerschaftsreferenden“ unterwandert von BürgerInnen initiierte Volksabstimmungen und lässt keine Gegenvorschläge zu. Die Eile und Weise, in der SPD, CDU mit Ihrer Unterstützung Bürgerschaftsreferenden ohne Beteiligung der BürgerInnen durchdrücken wollen, ist undemokratisch und diesem Instrument nicht würdig.

mfg

B. d. R.

Anmerkung der Redaktion
Aufgrund eines technischen Fehlers wurde diese Frage erst am 03.08.2015 an die Abgeordnete übermittelt.
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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr d. R.,

vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie Ihre Besorgnis zur Einführung von Bürgerschaftsreferenden in Hamburg zum Ausdruck bringen.

Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die von "Mehr Demokratie" formulierten Befürchtungen, wir wollen damit Volksinitiativen zukünftig verhindern, nicht zutreffen. Ganz im Gegenteil haben wir Grüne in unserem Bürgerschaftswahlprogramm die Einführung von Referenden für wichtige politische Richtungsentscheidungen immer als Ergänzung und damit als ein Mehr an Mitbestimmung der Hamburgerinnen und Hamburger gesehen.

In den Koalitionsverhandlungen haben wir die SPD davon überzeugt, Referenden als zusätzliches Mitbestimmungsinstrument in Hamburg einzuführen. Es sollte gerade nicht der Eindruck entstehen, dass wir als neue Koalition die Hamburgerinnen und Hamburger nur bei Olympia mitbestimmen lassen wollen und bei anderen Themen dann aber lieber nicht.

Dennoch wollen wir Grüne nicht, dass Bürgerschaftsreferenden ständig, sondern nur zu grundsätzlichen Fragen des Stadtstaates stattfinden. Deshalb haben wir auch zwei hohe Hürden eingebaut. Der Beschluss muss von einer 2/3-Mehrheit der Bürgerschaftsabgeordneten getragen werden und auch der Senat muss zustimmen. Damit hat diese Regelung die höchsten Hürden in ganz Deutschland, ein Missbrauch von Parlament und Regierung ist vor diesem Hintergrund eher im Bereich der politischen Verschwörung von Senat und Bürgerschaft gegen das Volk einzuordnen, als wirkliche politische Gefahr für die Demokratie. Andere Bundesländer wie Bremen und Baden-Württemberg können allein mit 25% bzw. 33% ihrer Abgeordneten bereits Referenden anstoßen, in den anderen Bundesländern, die mit dem Beteiligungsinstrument eines Referendums ausgestattet sind, können solche Volksabstimmungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Nirgendwo hat aber bei diesen im Vergleich zu Hamburg niedrigen Hürden ein Missbrauch von Referenden stattgefunden.

Wir Grüne haben in unseren Beratungen mit den anderen Parteien auch darauf geachtet, dass der Vorwurf, mit Bürgerschaftsreferenden würden nun Volksinitiativen womöglich verhindert, nicht zum Tragen kommt. All diese Verbesserungen im Gesetzesverfahren werden aber von 'Mehr Demokratie' hartnäckig ignoriert, was uns Grüne auch ein wenig ratlos macht. Ich möchte Ihnen aber gerne diese gesetzlichen Sicherungen noch einmal vortragen, damit Sie sehen, warum wir Grüne mit gutem Gewissen der Einführung von Bürgerschaftsreferenden zustimmen können und warum Sie sich auch keine Sorgen machen müssen, dass zukünftig des Volkes Meinung nicht mehr gehört werden kann:
1. Senat oder Bürgerschaft müssen 6 Monate vor einem Beschluss zu einem Referendum dies öffentlich ankündigen.
2. In dieser Zeit können sich die Hamburgerinnen und Hamburger überlegen, ob sie eine eigene Fragestellung zur Abstimmung stellen wollen und die dafür notwendigen 10.000 Unterschriften sammeln. 14 Tage nach Beschluss der Bürgerschaft zu einem Referendum kann die Volksinitiative ihre Unterschriftensammlung für die 2. Stufe der Volksgesetzgebung starten und die dafür notwendigen 65.000 Unterschriften sammeln. Alles zusammen ist dann ein gemeinsame Kampagne von Volksinitiative und Volksbegehren. Die Unterschriftenhürden sind genauso wie beim jetzt gültigen Volksentscheidsverfahren. Insgesamt hat die Volksini also 7 Monate Zeit hier die Hürden für eine 2. Fragestellung zu schaffen.
3. Volksinitiativen, die bereits den Status eines Volksbegehrens haben, können einfach entscheiden, sich mit ihrer Fragestellung an das Referendum zu hängen. Dann werden dem Volk beide Fragen, die von der Bürgerschaft und die der Volksinitiative zur Abstimmung vorgelegt. Selbstverständlich hat die Volksinitiative auch ausreichend Platz im Infoheft der Bürgerschaft an die Wählerinnen und Wähler, um für ihre Fragestellung zu werben.
4. Die Sorge, dass der Beschluss zu einem Referendum mit dem Tag der Abstimmung nicht zusammenfallen könnte, ist im Gesetz ausgeschlossen worden. Diese sehr theoretische Frage wollten alle Parteien in der Bürgerschaft nicht zum Gegenstand von Spekulationen werden lassen
5. Es gibt Kritik, dass nach dem Bürgerschaftsreferendum es nicht sofort wieder möglich ist, einen zweiten Abstimmungsvorgang anzustreben. Wir Grüne glauben jedoch, dass das Abstimmungsergebnis des Volkes nicht ständig in Frage gestellt werden darf, damit es nicht zu einer Entwertung von Abstimmungen und damit auch zu Politikverdrossenheit kommen kann. Deshalb unterstützen wir die Regelung, dass wenn die Hamburgerinnen und Hamburger über eine wichtige Frage abgestimmt haben, diese für die laufende Wahlperiode Bestand haben muss, mindestens aber für 3 Jahre gelten soll. Dauerabstimmungen zu einem Thema, um das vermeintlich richtige Ergebnis zu erreichen, sind nicht geeignet, um unsere Demokratie zu stärken
6. Wir wollen sogar, dass eine gewichtige Minderheit im Volk mit ihrer Meinung beim Referendum eine Stimme bekommen kann, auch, wenn sie gar keine Gegenfrage mit einer Volksinitiative auf den Weg bringen möchte. In diesem Fall kann die Bürgerschaft entscheiden, dieser Meinung sogar Raum im Informationsheft der Bürgerschaft zu gewähren, so dass alle Wählerinnen und Wähler sich auch über diese Sicht informieren können.
Insgesamt sind alle diese Regelungen vorbildlich und ohne Beispiel in ganz Deutschland, wir Grüne und ich hoffen, Ihnen mit diesen Informationen die Sorgen zur Direkten Demokratie genommen zu haben. Seien Sie versichert, wir Grüne wollen mehr Demokratie und Mitbestimmung, und nicht weniger.
Trotzdem haben sogar gesetzlich festgeschrieben, dass wir nach der ersten Anwendung zur Olympiabewerbung eine Auswertung mit der Öffentlichkeit machen und etwaige Mängel im Gesetz beheben werden.

Freundliche Grüße,
Stefanie v. Berg