Frage an Stefanie Remlinger von Ralf B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr,
mit Bestürzung habe ich das Papier der Koordinierungssitzung der A-Staatssekretäre der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg vom 13.05.2011 mit dem Titel „Änderung des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB XII)“ gelesen. Die geplante Abschaffung des individuellen Rechtsanspruchs der Hilfesuchenden ist ein Angriff auf das Kernstück der Jugendhilfe, das gerade den Schwachen und wenig Durchsetzungsfähigen eine starke Stellung verleiht. Ohne dieses Recht sind die Hilfe suchenden Menschen den Wechselbädern der Politik und Finanzstrategen unterworfen. Welche Konsequenzen das hat, zeigt gerade die aktuelle Entwicklung in Neukölln (48 Projekte wurden zum 30.9. gekündigt).
Bitte teilen Sie mir mit, wie Sie persönlich zu dieser Initiative stehen und wie sich Ihre Partei zu diesem Vorstoß positioniert!
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Bub,
Sie haben völlig Recht. Die Initiative Hamburgs unter Einbeziehung von Berlin und Bremen zielt auf eine Gesetzesänderung unter dem Stichwort "Gewährleistungsverpflichtung des Öffentlichen Jugendhilfeträgers". Damit würde der individuelle Rechtsanspruch nach § 27 SGB VIII eingeschränkt und in eine Gewährleistungsverpflichtung umgewandelt. Dies entspricht einer faktischen Abschaffung des individuellen Rechtsanspruchs auf diese Leistung.
Grundsätzlich halte ich die Aufhebung von Rechtsansprüchen für die Betroffenen für einen deutlichen sozialpolitischen Rückschritt. Es ginge dann nicht mehr um einen Anspruch, den der Einzelne im Zweifel auch einklagen kann. Sondern die Gewährung wäre dann von staatlichen Regularien abhängig bzw. von der Kassenlage der Kommune. Zwar versucht das Papier den Eindruck zu vermitteln, es ginge um eine Stärkung der Sozialraumorientierung, die anders kaum zu finanzieren ist, doch hinter der Idee die Hilfen zur Erziehung umzuwandeln, steht auch der Wille zur Kostenreduzierung bei den Hilfen. Praktisch wärden viele Kommunen diese Bereiche gar nicht mehr oder nur eingeschränkt bedienen. Aus kurzfristigen kommunalen Einsparungen würden dann jedoch später hohe gesellschaftliche Kosten. Ich als Grüne lehne, bei aller Sympathie für eine verstärkte Sozialraumorientierung und bei viel Verständnis für die finanzielle Notlage in vielen Kommunen, eine solche Aushöhlung des Kinder- und Jugendhilferechts ab.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefanie Remlinger