Stefanie Henneke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Otwin S. •

Frage an Stefanie Henneke von Otwin S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Hennecke,

ich habe eine Frage zum Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan: Im Zusatzprotokoll 1 der Genfer Konvention zum Schutz der Opfer internationaler Konflikte wird in Artikel 48 als Grundsatz festgelegt, daß jederzeit zwischen der Zivilbevölkerung und Kombattanten zu unterscheiden ist und daß sich Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele richten dürfen. Unterschiedslose Angriffe sind verboten. In Afghanistan ist - soweit ich informiert bin - diese Unterscheidung aber gar nicht möglich, weil die Kombattanten keine reguläre Armee darstellen, Teil der Zivilbevölkerung sind und sich unter diese mischen. Ist der Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan demnach nicht grundsätzlich ein Verstoß gegen die Genfer Konvention und damit gegen das Völkerrecht, weil es sich nicht um einen Krieg gegen eine reguläre Armee sondern gegen "Terroristen" handelt, bei dem eine Trennung zwischen Kombattanten und Zivilisten gemäß der Konvention nicht möglich ist? Wenn dies alles der Fall ist, müßte dann nicht die Bundeswehr schon allein deshalb sofort aus Afghanistan abgezogen werden? Finden Sie persönlich es legitim und grundgesetzkonform, daß die Bundeswehr vom bisherigen Verteidigungsauftrag, bei dem zuvor ein Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland oder einen Bündnispartner erfolgt sein muß, zu einer präventiven Kriegführung zur Durchsetzung außenpolitischer, weltanschaulicher und wirtschaftlicher Ziele übergegangen ist?

Mit freundlichen Grüßen,

Otwin Skrotzki

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Skrotzki,

Ich halte es grundsätzlich für legitim, dass die Bundeswehr sich im Rahmen von UN-Missionen auch im Ausland engagiert - im völkerrechtlichen Sinne handelt es sich in Afghanistan ja nicht um einen Krieg, an dem die Bundeswehr teilnimmt. Sie ist - basierend auf einem UN-Mandat - in Afghanistan um die afghanische Regierung zu unterstützen. Sie soll dazu beitragen ein sicheres Umfeld für zivile Helfer zu schaffen und den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. So sehe ich den Einsatz in Afghanistan, und ich finde es richtig, dass nicht zugeschaut wird, wenn ein Land um Unterstützung bittet, das sich von der Herrschaft der Taliban zum Teil schon befreit hat und noch weiter befreien will, von einem Regime, in dem Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit mit Füßen getreten wurden. Die Bundeswehr ist keine Besatzungstruppe. Sie führt keine eigenständigen Militäraktionen durch, sondern unterstützt die afghanischen Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Aber zur Wahrheit gehört auch: Der Luftangriff von Anfang September ist eine menschliche Katastrophe. Er ist eine dramatische Verschärfung des Konflikts im Einsatzgebiet der Bundeswehr und stellt eine Intensivierung des Einsatzes dar, die wir als GRÜNE nicht mittragen.

Ich stehe, wie meine Partei BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zur Verantwortung für Afghanistan und zu einem Engagement, das den Aufbau des Landes in den Mittelpunkt stellt. Wir wissen, dass die Konflikte in Afghanistan militärisch nicht zu lösen sind. Wir kritisieren die Regierung Merkel-Steinmeier für eine falsche Strategie: für das Versagen beim Polizeiaufbau, für das unzureichende zivile Engagement sowie für eine unklare Informationspolitik. Wir fordern daher einen Strategiewechsel, damit der Schutz der Bevölkerung höchste Priorität hat und der Wiederaufbau vorankommt. Die Mittel für den zivilen Aufbau des Landes müssen deutlich erhöht werden, während derzeit ein untragbares Missverhältnis zwischen militärischen und zivilen Mitteln besteht. Für uns gehören Aufbau und Abzug zusammen. Im Rahmen einer zivilen Aufbauoffensive muss der schrittweise Abzug internationaler Truppen in der kommenden Legislaturperiode 2009-2013 in die Wege geleitet werden.

Mit der Forderung „Raus aus Afghanistan sofort“, wie sie zum Beispiel von der LINKEN formuliert wird, macht man es sich zu einfach. Ein Abzug der Bundeswehr würde den Krieg in Afghanistan nicht beenden, sondern vielmehr verschärfen. Eine Eskalation von Gewalt und Krieg wäre die Folge, eine Machtübernahme der taliban wäre nicht auszuschließen und das würde bedeuten, dass auf lange Zeit der Demokratisierungsprozess in Afghanistan gestoppt würde und die Verwirklichung von Grund- und Menschenrechten in weite Ferne rückt.

Mit freundlichen Grüßen,

Stefanie Henneke