Stefan Spaarmann
Einzelbewerbung
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Stefan Spaarmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Steffen B. •

Frage an Stefan Spaarmann von Steffen B. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Dr. Spaarmann,

auf eine Anfrage des Herrn Gobsch antworteten Sie u.a. wie folgt:

"Im Interesse nachhaltiger Arbeitsplätze sollte die Lohnsteuer nicht auf Dauer die Haupteinnahmequelle des Staates bleiben, denn sie "bestraft" gewissermaßen den Unternehmer, wenn er Arbeitnehmer beschäftigt. "

Bitte erklären Sie doch einmal, wieso die Lohnsteuer den Unternehmer bestrafen würde.
Schließlich ist auf Grundlage der Abgabenordnung sowie des Einkommensteuergesetzes der Arbeitnehmer der Schuldner der Lohnsteuer, welche vom Unternehmer lediglich vom Bruttolohn einzubehalten und an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt abzuführen ist. ( § 41 a EStG ) Die Höhe der Lohnsteuer richtet sich hierbei nach der Höhe des Bruttolohnes sowie der eingetragenen Steuerklasse.

Bei der Lohnsteuer selbst gibt es im Gegensatz zu den Sozialversicherungsbeiträgen, keinen "Arbeitgeberanteil", so dass es dem Unternehmer prinzipiell unberührt läßt, in welcher Höhe sich die Lohnsteuer für den einzelnen Arbeitnehmer ergibt.

Steffen Branse
Beratungsstellenleiter des
Lohn- und Einkommensteuerhilferings
Deutschland e.V.

Antwort von
Einzelbewerbung

Sehr geehrter Herr Branse,

wie ich sehe, sind sie ein Fachmann in vieler Hinsicht. Gern beantworte ich Ihre Frage, da sie die interessante Frage der Zukunft der Arbeitswelt betrifft. Ich sehe das Problem Lohnsteuer von einem anderen, mehr volkswirtschaftlich orientierten Standpunkt, während Sie direkt von der Steuer ausgehen. Früher haben wir in der DDR gesagt, man muß die Dinge "dialektisch" (nach dem deutschen Philosophen Hegel) betrachten. So ist es auch hier bei dem Problem.

Ich schlußfolgere so: Der Arbeitgeber (AG) zahlt dem Beschäftigten (AN) Bruttolohn/Bruttogehalt. Das ist für ihn der Kostenfaktor. Die Lohnsteuer wird vom Brutto abgezogen, die bekommt der Staat. (Daß sie gleich einbehalten und abgeführt wird, ist nur eine Frage der effektiven Abwicklung; genauso gut könnte der AG dem AN das Brutto auszahlen, und der müßte die Lohnsteuer eigenverantwortlich an den Staat abführen). Was übrig bleibt, ist der Nettolohn, der dem AN ausgezahlt wird. Er macht seine Kaufkraft aus, die für die Gesamtwirtschaft wichtig ist. Nun kann man sich natürlich auf Ihren Standpunkt stellen und sagen, was berührt es den AG, wieviel Lohnsteuer der AN zu zahlen hat, er ist der Schuldner, kann dem AG doch egal sein.

Das scheint logisch zu sein, aber überlegen sie bitte: Die entscheidende Frage ist, wer muß eigentlich für den Betrag der Lohnsteuer aufkommen, d.h. bei wem ist sie ein Kostenfaktor (es geht ja hier um die Kosten der menschlichen Arbeit, die den Betriebsgewinn des einzelnen Unternehmens schmälert) ? Eindeutig beim AG, bei wem sonst ? In diesem Sinne sage ich, der AG wird eigentlich betriebswirtschaftlich "bestraft", wenn er statt Automaten aufzustellen, AN beschäftigt. Natürlich nur im übertragenen Sinne "bestraft". Stellen Sie sich vor, die Lohnsteuer wird geringer, im Extremfall Null. Dann werden bezogen auf gleiches effektiv ausgezahltes Geld an den AN (Netto) das Brutto und damit die Kosten für den AG kleiner. Er wird sich (das System muß natürlich je nach durchschnittlichem volkswirtschaftlichem Automatisierungsgrad ausbalanciert sein, es muß als Regulativ in bestimmten Abständen angepaßt werden) überlegen, ob es nicht lohnt, keine AN zu entlassen (oder sogar welche einzustellen, neue Beschäftigungsfelder für sie zu finden), denn sie kosten ihn weit weniger als früher. Ergebnis dieses Gedankenexperimentes: Der Staat bekommt weniger Lohnsteuer, der AG hat geringere Kosten, der AN bekommt den gleichen Nettolohn ausgezahlt, die allgemeine Kaufkraft bleibt erhalten (weil das heute nicht der Fall ist, lahmt unsere Binnenkonjunktur).

Natürlich muß der Staat genügend Steuereinnahmen haben, also muß der Lohnsteuerausfall gegenfinanziert werden. Dieses Geld sollte von der (bei monotoner, nicht kreativer Arbeit) gegenüber Menschen viel höheren Produktivität der Maschinen kommen. Der Gewinn durch technischen Fortschritt sollte also nicht vollständig beim privaten AG bleiben (mit der Folge, er stellt weitere Automaten auf, die Arbeitslosigkeit wird immer schlimmer), sondern vom Staat mehr abgeschöpft werden als heute. (Man darf eben nicht ohne Schaden für die Volkswirtschaft die Gewinne privatisieren und die Folgen auf die Allgemeinheit abwälzen, das geht schief.) Das sollte den Lohnsteuerausfall kompensieren bzw. überkompensieren, denn der Staat darf nicht arm sein. Ein armer Staat kann nicht sozial sein. Sozial zu sein. Ist ein Gebot des Grundgesetzes.

Nur diese Einnahmequelle ist nachhaltig, der Fortschritt wird immer höhere Produktivität mit sich bringen.

Wenn Sie wissen wollen, wie ich zu dieser Betrachtungsweise komme, will ich das gern verraten. Ich war nach der Wende als Controller beschäftigt, da muß man immer den ganzen betrieblichen Vorgang in seiner Komplexität sehen, das gilt auch für die Volkswirtschaft. Was für den ein einzelnes Unternehmen gut ist, muß es nicht für die Volkswirtschaft sein. Und was gestern funktionierte, muß es nicht in der Zukunft. Der nie stillstehende technische Fortschritt zwingt uns zu Überlegungen auch beim Steuerrecht, sonst kommt es zu den Disharmonien, die wir heute alle schon spüren.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Spaarmann