Stefan Spaarmann
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Frage von Claus S. •

Frage an Stefan Spaarmann von Claus S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Dr. Spaarmann!

um die Handytelefonitis der Bevölkerung ein wenig einzudämmen, schlage ich eine Handysteuer vor. Zum Beispiel 1 Euro pro Monat! Bei 70 Millionen Handys könnte man mit dem Geld endlich hochwertige EMF-Forschung finanzieren und ferner Geld ansparen für die Krankenkassen um die Folgeschäden der Mobiltelefonie bezahlen zu können. Was halten Sie von dem Vorschlag!?

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Claus Scheingraber

Antwort von
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Sehr geehrter Herr Scheingraber,

ich halte das für einen klugen, bedenkenswerten Vorschlag in mehrerer
Hinsicht.

Erstens gibt es tatsächlich eine Handytelefonitis, besonders unter den Kindern und Jugendlichen, die zu begrenzen man versuchen muß. Eine regelrechte Handysucht hat sich breit gemacht, viele haben mehrere Handys und verplempern ihr Taschengeld und das Geld ihrer Eltern. Sie sind sich, da Sie über die Risiken nicht informiert werden, nicht im Klaren, was der Preis für den Spaß mit dem Handy ist. Es gibt viele Länder, die unter 16 Jahren dringend vom Handygebrauch abraten. Hier versagt der Kinder- und Jugendschutz in Deutschland, hier muß dringend etwas im Bundestag geschehen.

Zweitens kann heute von einer hochwertigen EMF-Forschung keine Rede mehr sein. Da der Staat kein Geld hat, gibt es fast keine unabhängige Forschung auf dem Gebiet mehr. Forschung kostet Geld, das haben aber nur die Betreiber. Andererseits beziehen sich Bundesverfassungsgericht und Oberstes Gericht der Bundesrepublik bei Urteilen, in denen Bürger gegen die Betreiber von Mobilfunknetzen wegen der zwangsweisen und rüden Bestrahlung durch Dach- oder Mastantennen klagen, aus völlig unlogischen Gründen auf die "unter den Wissenschaftlern vorherrschende Meinung", das sei ungefährlich. Das ist eine absolut unerträgliche Situation und eine Schande für die Justiz, denn das Grundgesetz schreibt Vorsorge zwingend vor. Vorsorge gegen Mikrowellenstrahlung gibt es in Deutschland praktisch nicht, man verneint deren Notwendigkeit.

Die Bevölkerung schimpft zu Recht über die Dauerbestrahlung durch die Mobilfunk-Basisstationen, ist sich aber der Gefährlichkeit der Handys, wenn diese nicht richtig gehandhabt werden, überhaupt nicht bewußt. Mit Handys wenigstens vorsichtig umzugehen, daß ist nicht schwierig und leicht zu vermitteln. Die Schulen informieren in den meisten Bundesländern nicht, ja nicht einmal alle Lehrer wissen Bescheid. Von der Mehrheit der Ärzte ganz zu schweigen, was das Gesundheitsministerium angeht. Und ohne sich zu informieren, werden von der Bevölkerung die DECT-Schnurlostelefone gekauft, weil weder die Presse, noch der Staat, noch die Hersteller oder Verkäufer darüber informieren, daß DECT-Basisstationen ständig (solange der Stecker in der Steckdose steckt) Strahlung emittieren. Warum, das weiß niemand, es ist einfach staatlich genehmigter Blödsinn. Hier wäre es dringend erforderlich, daß der Staat lenkend eingreift, z.B. durch eine Steuer. Wenn die Mikrowellen-Strahlungs-Steuer der beim Nutzer ankommenden Strahlung, also der Immission proportional erhoben würde, dann würde die Industrie ganz schnell die Technologien aus der Schublade holen, die mit geringsten Strahlungsmengen auskommen. Die müssen nicht groß erforscht werden, sie sind praktisch da, aber man nutzt diese Möglichkeit nicht. Gebrauchen kann der Staat das Geld dringend, aber offenbar ist er handlungsunfähig und es besteht eine so starke Lobby, daß diese Steuer-Quelle, die sich geradezu anbietet, bisher nicht angezapft wurde. Das ist ein Wink mit dem Zaunspfahl an die Adresse der nächsten Bundesregierung. Wenn Frau Merkel, die ja in ferner Vergangenheit auch mal mit Physik beschäftigt war, dies zu lesen nicht unter ihrer Würde fände, wäre das leidige Problem Elektrosmog durch Mobilfunk bald vom Tisch sein und die Menschen könnten aufatmen.

Ich fände es richtig, wenn der Staat für jede Emission, egal ob es Giftstoffe, Gestank, Rußpartikel, Lärm oder Mikrowellen-Strahlung betrifft, im Sinne des Umweltschutzes eine Steuer erhebt. Das wäre für mich eine wirkliche Öko-Steuer. Diese Steuer würde ich zunächst beim Verursacher der betreffenden Emission ohne Ausnahme erheben. Der Verursacher muß auch für die Folgen der Emission einstehen, eigentlich ist eine solche "Produkthaftung" selbstverständlich. Wieso haben die Mobilfunkunternehmen völlig steuerfrei privilegierte Baurechte, während die Gemeinschaft der Bürger, also der Staat, für die gesundheitlichen Folgen aufkommen sollen ? Das kann so nicht bleiben und da sind große finanzielle Reserven vorhanden, denn Umweltschutz und Förderung alternativer, nachhaltiger Technologien müssen ja schließlich solide finanziert werden.

Die andere Seite, die Sie ansprechen, das sind die Verbraucher. Es ist ähnlich wie beim Rauchen, nur sieht und riecht man die Strahlung nicht. Sie ist nachträglich nur indirekt nachweisbar, ist quasi ohne Rückstände verschwunden. Das ist die besondere Heimtücke von Strahlung. Jeder, der mit dem Handy telefoniert, bestrahlt - je nach Empfangssituation mehr oder weniger - nicht nur sich selbst (besonders das wichtigste Körperteil, den Kopf), sondern unabsichtlich Unbeteiligte in seiner Umgebung, die sich nicht wehren können. Ist das nicht fahrlässige Körperverletzung ? Das wird die Zukunft entscheiden, denn Langzeitfolgen des Handygebrauchs kann man nicht aus Experimenten an Ratten schlußfolgern. Man kann ausrechnen, daß bei voller Sendeleistung des Handys von 2 W (ohne schützende Wände, d.h. ohne Dämpfung) in einem Umkreis von 400 m eine Strahlenbelastung über 1 mikroW/m2 herrscht. Mit verringertem Abstand nimmt das quadratisch zu. Das kann jeder leicht nachrechnen, aber es wird der Öffentlichkeit von allen Verantwortlichen absichtlich verschwiegen, um das Geschäft nicht zu schädigen. Der genannte Wert wurde von Baubiologen nicht ohne Grund für Dauerbelastung durch Mikrowellen vorgeschlagen. Aus Gründen der Vorsorge wäre es gut, wenn man das auch für körpernahe Kurzzeit-Strahler wie Handys erreichen könnte. Leider ist das bei großer Körpernähe schwer erreichbar, so daß man in andere Frequenzbereiche ausweichen muß - was technisch kein Problem ist. Es wird verschwiegen, daß es technisch ganz einfach möglich wäre, die Mobilfunknetze so aufzubauen, daß die Belastung der Handybenutzer und der Allgemeinheit um viele Größenordnungen geringer sein könnte. Dazu kann nachgelesen werden bei www.hese-project.org aus dem Jahr 2003 Wenn Sie die Betreiber der Mobilfunknetze fragen, warum sie das nicht so machen (ich habe das getan), bekommen sie die Antwort "warum sollten wir das tun, es gibt doch gar keine Gefahr, das bescheinigt uns die Bundesregierung in Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission ständig aufs Neue". Bei so viel Ignoranz und Inkompetenz ist jeder Kommentar überflüssig. Das Schlimme ist, es handelt sich nicht nur um ein bundesdeutsches, sondern um ein weltweites Problem, das nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verstößt. Die Mehrheit der Abgeordneten des deutschen Bundestages scheint sich noch nicht bewußt zu sein, daß wir hier alle in einem unaufhaltsam sinkenden Boot sitzen, und daß wir der Wirtschaft einen Bärendienst erweisen, wenn wir hier keine weitsichtige und vorsorgende Politik betreiben.

Was den einen Euro pro Monat betrifft, Herr Scheingraber, darüber kann man streiten. Ich finde das eigentlich viel zu wenig, wenn man überlegt, wieviel Geld für Handytelefonate ohne jegliche Notwendigkeit bedenkenlos aus dem Fenster geworfen wird. Ich glaube auch nicht, daß ein Euro ausreicht, um eine Sucht - um eine solche handelt es sich zweifellos - zu bekämpfen. Das besagen die Erfahrungen beim Rauchen und beim Alkohol.

Was den Verwendungszweck der eingenommenen Gelder betrifft, stimme ich ihnen zu. Das Geld muß unbedingt für den genannten Zweck und nicht zum Stopfen von Haushaltlöchern verwendet werden, wie das bei Rot/Grün üblich war. Vorsorgend müßte schon jetzt eine Rücklage gebildet werden, denn wenn die prognostizierten Folgen bei den Dauer-Handynutzern unter den heutigen Kindern und Jugendlichen im mittleren Lebensalter eintreten, wird der Staat überhaupt nicht in der Lage sein, das zu bezahlen. Das wäre auch gar nicht einzusehen, denn - auch wenn das viele nicht gern hören - 95 % der Handytelefonate sind mehr oder weniger unnützes Geschwätz. Bei keinem Versicherer sind die Hersteller der Handys oder der Basisstationen gegen Strahlenschäden versichert. Da müßten bei jedem mit gesundem Menschenverstand die Alarmglocken schrillen. Besonders bei Abgeordneten. Das gilt auch für alle anderen Mikrowellen-Funk-Anwendungen, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Es herrscht gerade zu ein Wahn, alles drahtlos machen zu wollen. Das führt mit Sicherheit ins Chaos und konnte nur deshalb so weit kommen, weil der Staat seine Verantwortung nicht wahrnimmt und sine Hausaufgabe nicht gemacht hat.

In der nächsten Legislaturperiode sollte sich in diese Richtung etwas bewegen. Es drängt, deshalb Dank für den konstruktiven Vorschlag. Es muß genau überlegt werden, wie wir ihn umsetzen können.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Spaarmann