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Stefan Schwartze
SPD
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Frage von Kerstin K. •

Frage an Stefan Schwartze von Kerstin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schwartze,
seit etlicher Zeit engagiere ich mich für Menschen in Not, stehe dabei für Demokratie und fairen Dialog.
Was ich allerdings von unserer Bundesregierung erlebe, lässt mich an deren humanistischer und demokratischer Einstellung zweifeln.

Etliche Städte haben sich in Deutschland in einer demokratischen Abstimmung bereit erklärt, mehr Geflohene aufzunehmen, als sie müssen. Allein der Innenminister muss zustimmen, was eine reine Formsache sein sollte.
Horst Seehofer allerdings ignoriert diese Willensentscheidung. Denn aktuell werden für 49 Geflohene auf den Schiffen der Sea-Watch und der Sea-Eye sichere Orte gesucht. Sie harren seit Tagen auf dem Mittelmeer aus, wobei das Wetter schlechter wird. Malta und Italien verweigern die Einfahrt, Deutschland schweigt.
Das ist eine Politik der erbärmlichsten und widerlichsten Art. Wie damit Internationales Recht gebrochen wird, hat nicht zuletzt die UN in einem aktuellen Bericht deutlich gemacht.

Was wird die SPD tun? Was genau tun SIE?

Ich freue mich auf Ihre Antwort. Nur bitte ersparen Sie mir Hinweise auf EU-weite Lösungen. Davon habe ich schon zu oft aus Ihrer Partei gelesen, ohne dass etwas geschehen ist. Die Hilfe ist JETZT nötig.

Vielen Dank!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau K.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wir haben es hier mit einer äußerst verfahrenen Situation zu tun. Die von Ihnen angesprochenen 49 von der Sea-Watch und Sea-Eye geborgenen Geflüchteten sind inzwischen außer Gefahr – nach einer viel zu langen Zeit der Ungewissheit und langwieriger Verhandlungen europäischer Länder, welches Land wie viele Personen aufnimmt.

Inzwischen hat die Sea-Watch 3 weitere 47 Personen aus Seenot gerettet und wartet vor Sizilien darauf, in einem sicheren Hafen anlegen und die Menschen von Bord bringen zu dürfen. Die Einfahrt wird ihr seitens der italienischen Behörden verweigert. Italien will die Menschen erst von Bord lassen, wenn sich die Niederlande oder die Bundesrepublik bereiterklären, die Personen aufzunehmen. Die Hilfsorganisation Sea-Watch hat nun den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Sie argumentiert, dass die EU-Staaten Seerecht ignorieren und Seenotrettung von EU-Verhandlungen abhängig gemacht würde.

Sie schreiben, dass es etliche Städte in Deutschland gibt, die sich bereiterklärt haben, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen. Das begrüße ich ausdrücklich!

Sie schreiben weiter, dass der Bundesinnenminister diese Willensentscheidung ignoriert und fragen, was die SPD, was ich persönlich dagegen unternehmen möchte. Und Sie bestehen darauf, dass ich Ihnen einen Verweis auf eine europäische Lösung ersparen möge, da Sie diesen Hinweis schon so oft haben hören müssen.

Ich muss dennoch auf die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Einigung eingehen. Denn der aktuelle Fall veranschaulicht mehr als deutlich: Eine fehlende, von allen Staaten akzeptierte und unterstützte Regelung führt dazu, dass bei jeder neuen Lage der immer gleiche Streit ausbricht, welches Land für die Aufnahme der Geretteten zuständig ist. Es wird auch nicht in Ihrem Sinne sein, dass jedes Seenotrettungsschiff tage- oder wochenlang vor der Küste ausharren muss, bis nach langen und zähen Verhandlungen wieder eine (kurzfristige) Lösung gefunden wurde. Die Erfahrung lehrt uns, dass es in der gegenwärtigen Situation rund um das Mittelmeer weitere Boote geben wird.

Ich persönlich bewundere die Bereitschaft vieler Kommunen, zusätzlich Geflüchtete aufzunehmen, denn sie ist ein klares Zeichen, dass unsere (Zivil-) Gesellschaft Herausforderungen zu meistern im Stande ist. Es ändert aber nichts an dem Umstand, dass wir verbindliche Regeln brauchen, die nicht tagtäglich aufs Neue in Frage gestellt werden. Ich muss leider zur Kenntnis nehmen, dass die Akzeptanz eines deutschen Alleingangs in der Bevölkerung nicht unumstritten wäre. Würden wir alle anderen EU-Staaten aus ihrer Verantwortung lassen, würde der Bundesregierung sehr schnell vorgeworfen, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen. Wir haben das schon einmal erlebt. Ohne eine breite Akzeptanz der eigenen Bevölkerung jedoch werden sich bald aber auch keine Kommunen mehr finden lassen, die bereit sind, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen. Und das kann nicht unser Ziel sein.

Deshalb werden wir als SPD auch weiterhin alles daran setzen, gesamteuropäische Lösungen zu finden, mit denen wir humanitären Katastrophen, wie wir Sie derzeit immer wieder im Mittelmeer erleben, auf würdige und helfende Art begegnen. Ein langer Weg, gewiss, aber ich sehe derzeit keinen besseren.

Mit freundlichen Grüße

Stefan Schwartze

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