Frage an Stefan Sauer von Benjamin K. bezüglich Umwelt
Hallo Herr Sauer,
ich wüsste gerne, wie Sie zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung stehen. Warum fällt der CO2 Einstiegs- und Höchstpreis mit 10 Euro und 60 Euro so viel geringer aus, als von Ökonomen und Klimaforschern gefordert (50 Euro, 130 Euro)? Warum wird die Landwirtschaft als einer der größten CO2-Emittenten nicht einbezogen? Warum werden die erneuerbaren Energien nicht schneller ausgebaut und die Kohlekraftwerke bis 2030 abgeschaltet?
Wie ist Ihre persönliche Vision, um bis 2040 in Deutschland CO2-neutral zu werden?
Kann es sein, dass die Angst vor der AfD als Elefant im Raum verhindert hat, dass die Regierung wirkungsvolle Maßnahmen umsetz? Glauben Sie, dass wirkungsvoller Klimaschutz ohne eine deutliche Veränderung unserer Lebensgewohnheiten möglich ist?
Wurde bei der Ausarbeitung des Maßnamenpakets berücksichtigt, dass gemäß des 1,5 Grad Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens und den aktuellen jährlichen Emissionen von 866 Millionen Tonnen das restliche CO2-Budget Deutschlands von 6,600 Millionen Tonnen in 7,6 Jahren verbraucht sein wird?
Sehr geehrter Herr Kibies,
ich beziehe mich auf Ihre Zuschrift an „Abgeordnetenwatch“, in der Sie mich fragen, wie ich zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung stehe.
Lassen Sie mich zunächst betonen, dass das Paket nach meiner Auffassung ein klares Signal an unsere Gesellschaft darstellt, dass die Politik die Bedeutung der Thematik ebenso erkannt hat wie die Notwendigkeit eines Umsteuerns zugunsten des Klimaschutzes. Dazu haben wir eine Reihe von Instrumenten eingeplant und stellen in den Jahren bis 2022 ca. 54 Milliarden Euro zur Verfügung. Dies ist eine große Summe, die nach meiner Ansicht gut verantwortbar ist und Schritte zu einem wirkungsvollen Einstieg in klimaneutrales Handeln ermöglicht. Ihre Kritik nehme ich durchaus ernst, zumal ich der Ansicht bin, dass sich insgesamt ökonomische und ökologische Ansätze nicht gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil die Entwicklung einer ökologisch basierten Wirtschaft eine große Chance für ein innovatives, technologisch fortschrittliches Land wie Deutschland darstellt. Produkte für den Klimaschutz wie zum Beispiel Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien bieten unserer Wirtschaft neue Möglichkeiten, Gewinne ökologisch zu generieren. Dies gilt auch für den Export ins Ausland, denn Klimaschutz ist letztendlich eine globale Aufgabe.
Das Klimapaket ist aber auch ein Aufruf an jeden Einzelnen, mitzumachen und in ihrem bzw. seinem Alltag Möglichkeiten zu identifizieren, CO2-Emissionen möglichst zu vermeiden und zu einem besseren Klimaschutz beizutragen – hierzu werden Anreize geschaffen, statt Verbote auszusprechen.
Bei der Diskussion dürfen wir allerdings zwei wesentliche Aspekte nicht vergessen.
Zum einen hat Deutschland in den letzten 25 Jahren bereits viel geleistet; von 1990 bis 2020 ist ein Rückgang des Treibhausgasausstoßes von mehr als 30 Prozent zu erwarten, und das trotz Wirtschaftswachstums, steigender Bevölkerungszahlen und des Ausstiegs aus der Kernkraft. Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbraucht lag 2018 bei 17 Prozent, im Stromsektor sogar bei rund 38 Prozent. Der Energieverbrauch insgesamt sinkt, die Kreislaufwirtschaft gehört zu den effektivsten der Welt. In vielerlei Hinsicht sind wir ein sehr energieeffizientes Land geworden. Kleinere Länder wie Norwegen oder die Schweiz mögen es in dieser Hinsicht einfacher haben; gerade Norwegen hat viel in die Elektromobilität investiert, wobei diese Investitionen, das sollte man nicht ausblenden, zumeist aus den Einkünften des Verkaufs von Erdöl stammen.
Dessen ungeachtet ist Deutschland weltweit nur für ca. 2,2 Prozent des CO-Ausstoßes verantwortlich. Die größten Verursacher von Klimaschäden sind Länder wie China, die USA oder Indien, so dass eine nachhaltige Lösung der Klimaproblematik nur auf globaler Ebene möglich ist. Umweltfreundliche Technologien in diesen Ländern zu etablieren hätte im Zweifel eine weit größere Hebelwirkung als die nationalen Bemühungen, die Deutschland dessen ungeachtet zu Recht vorantreibt. Aus diesem Grunde ist Deutschland eines der wichtigsten Geberländer für die internationale Klimafinanzierung; Haushaltsmittel, Kredite und andere Fördermittel hierfür summieren sich schon jetzt auf 6,7 Milliarden Euro. Überdies engagiert sich Deutschland im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie für den Erhalt der Artenvielfalt und für eine weltweite Wiederaufforstung von Regenwäldern.
Zum anderen ist neben dem berechtigten Anliegen des Klimaschutzes auch die Sozialverträglichkeit der geplanten Maßnahmen in den Blick zu nehmen. Klimaschutz soll langfristig Arbeitsplätze schaffen und nicht abschaffen. Auch für einkommensschwächere Teile der Bevölkerung muss eine Bezahlbarkeit von Klimaschutzmaßnahmen gewährleistet sein, um nicht zu der Konsequenz zu führen, dass viele Menschen schon aus sozialen Gründen den Klimaschutz ablehnen. Insgesamt stellt sich für uns nicht nur die Frage, wie wir künftig leben wollen, sondern auch, von was wir leben wollen. Diese beiden Aspekte bilden eine fragile Balance, die die Bundesregierung in ihrem Klimapaket nach meiner Einschätzung in angemessener Weise abgebildet hat.
Zu Ihren Fragen im Einzelnen:
• Der Einstiegspreis von 10 € pro Tonne CO2 ist nur ein erster Schritt und wird, wie Sie wissen, bis 2025 auf 35 Euro steigen. Dies ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen demjenigen, was für den Klimaschutz nötig ist, und der sozialen Vertretbarkeit der Einführung einer CO2-Bepreisung.
• Der Beitrag der Landwirtschaft zu den CO2-Emission wird überschätzt, bleibt aber im Blick der Bundesregierung; auch das Landwirtschaftsministerium hat sich dazu verpflichtet, die Reduktion von Emissionen in seine Planungen mit aufzunehmen.
• In Deutschland wird das letzte Atomkraftwerk voraussichtlich 2032 abgeschaltet, ein Ausstieg aus Kohlekraftwerken ist für 2038 vorgesehen. Dieser Zeitplan ist technisch und gesellschaftlich akzeptiert und sollte beibehalten werden.
• Die derzeitige Planung sieht eine Klimaneutralität Deutschlands für 2050 vor. Schon diese Vorgabe ist höchst anspruchsvoll und bedarf zur Umsetzung zahlreicher Anstrengungen. Eine Klimaneutralität bis 2040 erachte ich für unrealistisch.
• Die AfD hat mit dem Klimapaket der Bundesregierung nichts zu tun. Diese Partei leugnet den Klimawandel und wendet sich grundsätzlich gegen Klimaschutzmaßnahmen. Äußerungen der AfD haben nach meiner Beobachtung auf die Planung der Bundesregierung keinerlei Einfluss.
Stefan Sauer MdB