Panzer-Ausbildung: Wird Deutschland Kriegspartei gegen Russland?
Werter Herr Rouenhoff,
sind Sie so wie ich und viele andere Bürger besorgt, dass wir in einen Krieg gegen Russland hineingezogen werden? Denn nun werden nicht nur Panzer an die Ukraine geliefert sondern auch ukrainische Soldaten an deutschen Panzern ausgebildet. Dass aber die Ausbildung von Ukrainern an diesen deutschen Waffen völkerrechtlich nochmal eine andere, gefährlichere Qualität haben kann, das hat bereits im März der Wissenschaftliche Dienst (WD) des Bundestages festgestellt (https://www.bundestag.de/resource/blob/892384/d9b4c174ae0e0af275b8f42b143b2308/WD-2-019-22-pdf-data.pdf). Dort heißt es unter anderem:
"Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“
Wie werden Sie sich einbringen um die deutsche Kriegsbeteiligung zu verhindern?
Es schrieb Ihnen ein besorgter Bürger aus Kleve
Herbert D.
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Das von Ihnen erwähnte Zitat aus einem Bericht des Wissenschaftlichen Diensts des Deutschen Bundestages ist mir bekannt. Wichtig ist hierbei jedoch auch die Betrachtung der Fußnote zu der von Ihnen zitierten Stelle. Demnach geht es um eine Aussage von Professor Pierre Thielbörger von der Ruhr-Universität Bochum in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 13. Februar 2022. Dort äußerte sich dieser wie folgt: „An sich sind Waffenlieferungen allein noch keine Kriegshandlung. Es gibt keine Staatenpraxis, die das annimmt. Anders könnte es sein, wenn es eine Beratungsleistung gibt, wie Waffen zu gebrauchen sind. Aber auch hier bleibt die Betrachtung des Einzelfalls ausschlaggebend.“ (Quelle: https://www.nzz.ch/international/krieg-in-der-ukraine-ab-wann-waere-deutschland-konfliktpartei-ld.1674082) Jeder Fall ist aus Sicht von Professor Thielbörger also einzeln zu betrachten. Daher ist Ihre Annahme falsch, dass Deutschland durch die Ausbildung an Waffensystemen automatisch zur Kriegspartei wird.
Darüber hinaus möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass andere Rechtswissenschaftler die völkerrechtliche Einschätzung von Professor Pierre Thielbörger weiter abschwächen und zu einem anderen Ergebnis kommen. So analysiert Philipp Dürr von der Rheinischen Friedrichs-Wilhelm-Universität Bonn die rechtliche Lage folgendermaßen: „Inwiefern die Kombination von Waffenlieferungen und Ausbildung einer aktiven Teilnahme an Kampfhandlungen gleichzusetzen sein soll, bleibt angesichts der knappen und relativierenden Aussage [von Professor Thielbörger in der NZZ] unklar. Auch bisherige Waffenlieferungen haben Instruktionen in Form von Bedienungsanleitungen und übersetzten Video-Tutorials enthalten. Eine belastbare Grenzziehung im Falle der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland erscheint mangels weitergehender Eskalation gewagt und mit Blick auf die Staatenpraxis wenig stichhaltig. Solange allein ukrainische Streitkräfte die aktiven und unmittelbaren Kampfhandlungen ausführen, wird Deutschland als Waffenzulieferer und Ausbilder fernab der Ukraine keine Konfliktpartei“ (Quelle: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ukraine-russland-krieg-wird-deutschland-durch-waffenlieferungen-und-ausbildung-von-soldaten-zur-konfliktpartei-neutralitaet-voelkerrecht/).
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Rouenhoff