Frage an Stefan Liebich von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Herr Liebich,
ein Jahr nach dem Putsch in Bolivien wurde der Kandidat der „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) Luis Arce mit 55% im ersten Wahlgang zum Präsidenten des Landes gewählt. Der Putsch wurde unter dem Vorwand geführt, dass die Präsidentschaftswahlen 2019 angeblich gefälscht gewesen seien; ein Vorwurf, der sich weder während der Wahl durch die Beobachtung durch die Organisation amerikanischer Staaten, noch im Nachhinein durch eine Analyse des Massachusetts-Institut für Technologie als stichhaltig erweisen konnte. Dennoch erkannte Deutschland, in Form von Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonferenz von 11. November 2019 als auch des Auswärtigen Amtes via Twitter die Interimsregierung an.
Die Wahlen 2020, wie auch die Regionalwahlen 2021 zeigen, dass weder Putschpräsidentin Anez, noch die sie tragenden gesellschaftlichen Gruppen oder Parteien jemals eine Mehrheit in der bolivianischen Bevölkerung hatten. In der Folgezeit kam es zu terroristischen Angriffen gegen Arbeiter*innen, deren Insititutionen und gegen gewählte Mandatsträger*innen der MAS.
Die Frage:
1. Welche Konsequenzen fordern Sie für die an der faktischen Anerkennung einer undemokratischen Putschregierung durch die Bundesrepubliok Deutschland in Hinblick auf die beteiligten Personen?
2. Welche Konsequenzen fordern Sie für das zukünftige außenpolitische Handeln der Bundesrepublik Deutschland?
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Hilbig
PS: Auf Quellennachweise habe ich auf Grund der Lesbarkeit verzichtet, reiche sie jedoch gerne nach.
Sehr geehrter Herr Hilbig,
die bolivianische Generalstaatsanwaltschaft hatte vor gut einer Woche Jeanine Anez und einige ihrer Minister festgenommen. Es geht um zwei Massaker im November 2019, bei denen wohl vor allem Anhänger der MAS ums Leben kamen. Unter anderen Amnesty International und die UNO hatten gefordert, die Verantwortung zu klären, und die von der Putsch-Regierung verordnete Straflosigkeit der an dem Massaker beteiligten Streitkräfte aufzuheben. Von der EU oder Deutschland ist dergleichen leider nicht zu vernehmen.
Die Erwartungen unserer Fraktion hatte die stellvertretende Vorsitzende Heike Hänsel bereits im Dezember 2019 formuliert, als sie von der Bundesregierung forderte, sich nicht an der verschärften politischen Verfolgung unter dem De-facto-Regime von Anez in Bolivien zu beteiligen und diese die zunehmende Repression in dem südamerikanischen Land verurteilen müsse. Sie kritisierte damals auch das Auswärtige Amt, welches duldsam und stillschweigende auf das Treiben in Bolivien blickte, obgleich sich das Mandat der selbsternannten Interimspräsidentin sogar ausdrücklich nur auf die Organisation von Neuwahlen binnen drei Monaten bezogen hatte.
Ich erwarte zudem von der Bundesregierung, dass sie sich künftig mit zweifelhaften Anerkennungen von nichtlegitimierten Regierungen zurückhält. Bolivien ist da ja leider kein Einzelfall.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Liebich