Frage an Stefan Liebich von Oliver S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
"Statt europäischer Militärs sollen Kräfte für ein "Green-Corps" zur Katastrophenhilfe aufgebaut werden (PDS, S.26)"
Welche Struktur soll dieses "Green Corps" denn sonst haben?
Es gibt zur Zeit weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene Behörden, welche diese Aufgabe statt dem Militär materiell oder organisatorisch übernehmen könnten.
Geht es Ihrer Partei in diesem Punkt nicht eher um den Pseudopazifismus und Antimilitarismus anstatt um die Opfer der Katastrophen?
Oderflut/ Elbeflut - Katastrophen direkt in Deutschland haben es genauso gezeigt, wie der Tsunami - es bedarf klarer Befehlsstrukturen und Pläne, welche nicht durch lokale Herscher gestört werden dürfen. Diese Autorität hat weltweit nun mal nur die Armee.
Zusatzfragen:
Welche Maßnahmen haben Sie als PDS in den vergangenen Jahren in Berlin durchgesetzt, um den lokalen wie nationalen Katastrophenschutz zu verbessern? Wie stehen Sie als PDS zu einer Zivil-/Heimatschutzbehörde, welche sich zentral auf den Ernstfall einstellen kann. Als Ostberliner dürfte Ihnen ja solche Einrichtung nicht fremd sein - und Katastrophen wie Flugzeugabstürze können in Ihrem Wahlkreis dank des Flughafen Tegel ja auch ohne Terroranschläge jederzeit passieren.
MfG Oliver Simon
Sehr geehrter Herr Simon,
a) Die PDS-Bundestagsfraktion der 14. Legislaturperiode hat bereits im Jahr 2000 in einem Konzept zur Zukunft der Bundeswehr "Für eine 100.000-Personen-Armee - Zukunftssicherung durch Abrüstung, nicht durch qualitative Aufrüstung" das Anliegen eines ständigen Green-Corps zur Katastrophenhilfe genauer umrissen. Inhaltlich ist daran nichts zu relativieren.
Zunehmende klimabedingte Katastrophen, Hungersnöte, Erdbeben und Technik-Katastrophen sind Herausforderungen, auf die die reichen Staaten der Welt nicht genügend vorbereitet sind. Die Vorgänge um die jüngste Naturkatastrophe in New Orleans sind hierfür leider wieder traurige Bestätigung. Regelmäßig laufen Hilfsmaßnahmen langsam an, bleiben unzulänglich und teilwirksam, weil es anders als bei den Militärorganisationen keine leistungsfähigen zivilen Institutionen mit geeigneten Strukturen und ständigen (präsenten) Kapazitäten (Personal, Ausrüstung und Sachmittel) gibt.
Streitkräfte übernehmen daher mehr und mehr Katastrophenhilfsdienste. Diese Zweitfunktion sollte aufgehoben, die originär zivilen Aufgaben der Katastrophenhilfe wieder durch zivile Institutionen wahrgenommen werden. Teile der Bundeswehr können im Rahmen des sozialverträglichen Abbaus in diese Strukturen integriert werden.
Zur Wahrnehmung internationaler Hilfs- und Katastrophendienste, die gegenwärtig von der Bundeswehr geleistet werden, wird ein ständiges GREEN CORPS gegründet. Das dafür benötigte Personal, zunächst 10.000 Beschäftigte, wird auf freiwilliger Basis aus den Nachschub-, Fernmelde-, Instandsetzungs-, Pionier- und Sanitätseinheiten der Bundeswehr übernommen. Das Green-Corps erhält neben der notwendigen Ausrüstung einschließlich Liegenschaften, Fahr- und Flugzeugen, einen den Aufgaben angemessenen Etat aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes, der aus den Mitteln des Verteidigungsministeriums gegenfinanziert wird. Erste Mittel werden bereits in den Haushalt 2001 eingestellt, die volle Arbeitsfähigkeit soll zum Jahr 2003 hergestellt werden. Dafür ist auf eine enge Verzahnung mit bereits existierenden zivilen Trägern der Katastrophen- und Entwicklungshilfe zu achten, etwa mit dem THW oder der GTZ.
Natürlich steht diese Forderung in engem Zusammenhang mit unseren Forderungen nach einer Entmilitarisierung der Gesellschaft.
b) Die Ordnungsbehörden und die Polizei haben die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Zur Abwehr außergewöhnlicher Schadensereignisse stehen der Berliner Feuerwehr Einsatzbeamte und -angestellte, Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren und Einsatzfahrzeuge zur Verfügung. Daneben sind zusätzlich verfügbar: die privaten Hilfsorganisationen, die Polizei und die der Aufsicht des Landes Berlin unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Auf Anforderung kommen hinzu Kräfte und Einrichtungen des Bundes, z.B. die Bundeswehr oder die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Kräfte und Einrichtungen anderer Länder sowie von Kreisen und Gemeinden anderer Länder sowie Freiwillige, die zu Hilfeleistungen in Anspruch genommen werden.
Das Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, das im Mai 2004 errichtet wurde, soll als zentrales Organisationselement für die zivile Sicherheit wirken und andere Bundes- sowie die Landesbehörden beraten und unterstützen. Wir halten das für einen sinnvollen Schritt. All die o.g. Kräfte im Ernstfall effektiv zu bündeln und lokale, regionale und Bundeszuständigkeiten zu schnellen Entscheidungen sinnvoll zusammenzuführen, ist ja nicht allein für Berlin eine der wichtigsten Herausforderungen auf dem Gebiet des Katastrophenschutzes.
In ihrer Koalitionsvereinbarung haben SPD und PDS in Berlin zu Feuerwehr und Katastrophenschutz folgende Schwerpunkte gesehen: Modernisierung der Feuerwehrausstattung, konzeptionelle Weiterentwicklung der Einsatzdienste, Integration der Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr bei besonderer Förderung der Jugendarbeit. „Auf dem Sektor des Katastrophenschutzes ist das gerade gewachsene Bewusstsein für die Vorsorge, die Planungsaufgaben und den Ausstattungsbedarf zu pflegen und auszubauen. Gefahrenpotenziale sind einzuschätzen, die Verantwortungsbereiche auf ihre Aufgaben hinzuweisen und für funktionierende Abläufe für den Fall einer Realisierung der Gefahren Sorge zu tragen.“ So wurde beispielsweise ein standardisiertes Notrufabfragesystem nach dem Beispiel anderer europäischer Großstädte eingerichtet, um Fehlalarmierungen der Einsatzkräfte zu reduzieren. Der Katastrophenschutzgesetz wurde novelliert, nachdem das seit 1999 bestehende Gesetz vor allem im Bereich der vorbereitenden Gefahrenabwehr deutliche Lücken gezeigt hatte.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Liebich