Frage an Stefan Liebich von Monika N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wieso soll einer - der Demokratie und Zivilgesellschaft dienenden Petitionsplattform - wie "Change.org" die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, während hingegen es möglich ist, dass Unternehmen wirklich jede Ausgabe ihrer Lobbyarbeit - in zumeist nicht unerheblicher Höhe - von der Steuer absetzen können?
Sehr geehrte Frau Neiss,
die Finanzordnung in Deutschland empfinde auch ich als außerordentlich ungerecht. Während bei zivilgesellschaftlichen Vereinen wie attac oder change.org von Landesfinanzämtern die Gemeinnützigkeit und damit wohl auch ihre Existenz infrage gestellt wird, dürfen private Stiftungen und Lobbyvereine wie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik sich oft uneingeschränkt als gemeinnützig gerieren. Insbesondere Stiftungen funktionieren nicht selten genug als reine Steuersparmodelle der Superreichen. Besonders beschämend empfand ich, dass das Berliner Finanzamt Ende vergangenen Jahres der ältesten und größten antifaschistischen Organisation VVN/BdA die Gemeinnützigkeit aberkannte. Ausgerechnet einer Vereinigung, in der nicht zuletzt Verfolgte des Naziregimes über Krieg und Faschismus aufklären, legt man einen solchen Stolperstein in den Weg.
Selbstlosigkeit ist die zentrale Definition im Gemeinnützigkeitsrecht. Doch die Frage, was gemeinnützige Zwecke sind, muss dringend neu beantwortet werden. Diese Aufgabe kommt dem Bundestag als Gesetzgeber zu. Wir werden uns dafür einsetzen, dass nicht mehr Finanzbeamte und -beamtinnen aus den Bundesländern darüber entscheiden, welches politische Engagement privilegiert wird und welches nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Liebich