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Stefan Liebich
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Frage von Günter P. •

Frage an Stefan Liebich von Günter P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Liebich,

ich mache mir Sorgen um die Zukunft in D! In der Asyldebatte vermisse ich Gedanken der Politik zu folgenden Fragen; darauf hätte ich gerne k o n k r e t e Antworten.
(1) Wieviele Flüchtlinge können/wollen wir aufnehmen? Eine quantitative Grenze muss es geben sofern man gesellschaftspolitisch zukunftsorientiert denkt! Ein unbegrenztes Recht auf Asyl kann keine Nation verkraften.
(2) Schaffen wir durch die Aufnahme so vieler Menschen unterschiedlicher ethnischer Abstammung, Religion u. Bildung nicht die Basis für ggf. gewaltsame Auseinandersetzungen in unserem Land? Beispiele findet man weltweit.
(3) Warum werden Asylbewerber unterschiedlicher Nationen nicht ausgewiesen, wenn sie sich in Asylbewerberunterkünften befehden?
(4) Was werden wir in Zukunft mit Menschen machen, die sich nicht integrieren wollen?
(5) Wieso können sich Flüchtlinge ungestraft einer Grenzkontrolle, die der Feststellung der Identität dient, gewaltsam entziehen?
(6) Welche Vorsorge trägt die Regierung, damit keine verkappten Terroristen (IS) eingeschleust werden? Die Wahrscheinlichkeit, dass Islamisten das Chaos ausnutzen werden, ist hoch.
Hier zwei Zitate:
* unter www.mdr.de:
"..Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex hatte bereits Anfang der Woche vor einem regelrechten Fälschermarkt für syrische Pässe in der Türkei gewarnt...."
* Der Sunday Express zu verdeckt eingeschleusten Dschihadisten:
http://www.express.co.uk/news/world/555434/Islamic-State-ISIS-Smuggler-THOUSANDS-Extremists-into-Europe-Refugees
(7) Weshalb wird von Politikern einfach behauptet, dass im Wesentlichen hervorragend ausgebildete Menschen zu uns kommen, obwohl es keine Daten dazu gibt?
(8) Wieso nehmen es deutsche Politiker hin, dass EU-Recht bezüglich der Aussengrenzen gebrochen wird?
(9) Was wollen S i e persönlich tun, um den unkontrollierten Zugang nach D zu stoppen, damit unsere Gesellschaft in Zukunft nicht auseinanderbricht?

Freundliche Grüße von dem besorgten Bürger
G. Posselt

Portrait von Stefan Liebich
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Posselt,

In den letzten Tagen und Wochen erreichten mich zahlreiche Briefe und Emails zum Thema Migration und Flucht. Ich möchte Ihnen auf diesem Wege gern einige Antworten auf entsprechende Fragen geben.

Die LINKE setzt sich hier seit langem für einen nachhaltigen und grundlegenden Wandel ein. Wir wollen, dass Menschen, die vor Krieg, Not und Gewalt nach Europa fliehen, menschenwürdig aufgenommen werden. Das ist eine Verpflichtung, der wir uns nicht entziehen können und wollen. Die Entscheidungsabläufe müssen sowohl fair als auch zügig ausgestaltet werden. Wir sind der Überzeugung, dass Menschen, die ihre Heimat fluchtartig verlassen, dafür Gründe haben, die individuell geprüft werden müssen und lehnen deshalb die pauschale Kategorisierung in so genannte „sichere Herkunftsstaaten“ ab. Flüchtende sind schutzbedürftige Menschen, sie sollten nicht noch hin- und hergeschoben werden.

Nicht zuletzt um so genannten „Schleppern“ die Geschäftsgrundlage zu entziehen, plädieren wir für sichere und legale Einreisemöglichkeiten. In Abkehr der Dublin-Verträge, demnach Asylbewerber in der Europäischen Union nur dort einen Antrag stellen dürfen, wo sie erstmalig ein EU-Land betreten – in der Regel Staaten, welche die Außengrenzen der EU bilden – streben wir ein Modell an, welches bei der Flüchtlingsaufnahme auch individuelle Faktoren wie bestehende familiäre Bindungen und Sprachkenntnisse berücksichtigt.

Im Gegensatz zu Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einen wahren Bieterwettstreit hineingesteigert hat, sind wir der Meinung, dass bezüglich der Flüchtlingszahlen zurzeit nur vage Prognosen gestellt werden können. Dabei erwarten wir, dass die Zahl der aus den Krisengebieten Syrien, Afghanistan und Eritrea Flüchtenden nicht sinken, sondern tendenziell eher noch ansteigen wird.
Weil bereits so mancher in Deutschland schon von einer „Schmerzgrenze“ redet, möchte ich gern den ehemaligen Magdeburger Handballnationalspieler Stefan Kretzschmar zitieren, welcher auf die Frage einer Sonntagszeitung, wie damit umgegangen werden soll, antwortete: "Wir Deutschen sind ohne jeden Zweifel verpflichtet, Flüchtlingen zu helfen. Wenn Deutschland es als reichstes Land in Europa nicht schafft, wer sonst?“ Und er ergänzte: „Nach der Erstversorgung ist aber unsere Politik gefragt, sie muss sich vor Ort für Frieden einsetzen, Waffenlieferungen stoppen und humanitäre Hilfsprojekte starten.“
Denn natürlich hat die Bekämpfung der Fluchtursachen eine zentrale Bedeutung, geht es doch darum, den Menschen in ihren Herkunftsländern wieder eine Perspektive geben zu können, auch wenn dies ein längerfristiger Prozess sein wird.
Noch ein persönliches Wort zum Schluss. Mir ist immer bewusst, dass es viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verunsichert und manche sogar regelrecht ängstigt, wenn Menschen mit einer anderen Kultur, einer anderen Religion, manchmal mit einem anderen Aussehen und meist mit einer anderen Sprache, plötzlich zu Nachbarn werden. Schnell jedoch, da bin ich mir sicher, wird sich herausstellen, dass diese Menschen gar nicht so sehr anders sind. Sie streiten sich und lieben sich, sie sind arbeitsam und wissbegierig, kleinkariert und großzügig, modern und konservativ, haben Laster und Spleens – so wie wir alle. Heißen wir sie also willkommen, es ist das Beste, was wir für uns tun können.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Liebich