Frage an Stefan Liebich von Marco R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Liebich,
An Sie als meinen Wahlkreisabgeordneten habe ich einige Fragen zu den Forderungen der Linken bzgl. HartzIV. Ich beziehe mich auf folgenden Link:
http://die-linke.de/politik/themen/hartziv_muss_weg/
Auf ihrer Internetseite fordert die Linke den Wegfall von Hartz IV zugunsten zu eines Mindesteinkommens von 500,00€ pro Monat, welches zudem Sanktionsfrei sein soll.
1. Durch welche Einnahmen sollen die erhöhten Kosten gezahlt werden?
2. Wie kommen Sie auf diesen konkreten Betrag?
3. Durch wen soll beurteilt werden, wann ein Mehrbedarf gezahlt wird, bzw.nötig ist? Auf Ihrer Internetseite äussert sich die Linke hierzu leider nur sehr schwammig. Soll hierzu eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, oder soll jedes JobCenter im Einzelfall entscheiden können?
4. Ich bin diesbezüglich frei von Vor- und Pauschalurteilen, aber es gibt einen Teil von Personen, die angebotene Arbeit nicht annehmen wollen und werden. Warum soll ich diesen Personen Ihren Lebensunterhalt ohne Sanktionsmöglichkeit weiterfinanzieren?
5. Womit soll ein "qualitativ hochwertiger öffentlich geförderter Beschäftigungssektor" wie von der Linken gefordert bezahlt werden?
Sehen Sie Möglichkeiten zur Finanzierung genannter Leistungen ausserhalb der von Ihrer Partei regelmäßig geforderten Millionärssteuern? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch - wer mehr hat, kann und soll mehr leisten, aber mein Eindruck ist zeitweilig, dass die Linke die Millionärssteuer als Generalargument nutzt. Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen kommt hier wohl auch nicht in Frage, da die Finanzierung genannter Leistungen über Steuern erfolgt.
Einige umfängliche, nicht unkritische Fragen würde sich über eine Beantwortung sehr freuen.
Beste Grüße,
M. Rau
Sehr geehrter Herr Rau,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich nachfolgend gerne beantworte.
1. Durch welche Einnahmen sollen die erhöhten Kosten gezahlt werden?
Zur Finanzierung verschiedener notwendiger Reformen, also auch für ein Mindesteinkommen, fordert DIE LINKE. u.a. die Einführung der Vermögenssteuer bei Vermögen von über einer Million Euro in Höhe von 5 Prozent, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Höhe von mindestens 0,05 Prozent (bzw. 0,01 Prozent bei einem nationalen Alleingang), die Versteuerung von Kapitalerträgen zum persönlichen Steuersatz statt pauschal mit 25 Prozent, die Rücknahme der Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent und die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage sowie Streichungen im Verteidigungsetat.
2. Wie kommen Sie auf diesen konkreten Betrag?
Die Eckregelsatz in Höhe von 500 Euro ergibt sich aus einer mehrfachen Korrektur der aktuellen, für verfassungswidrig erklärten Ermittlung des Existenzminimums. Zunächst werden vom Sozialministerium willkürlich vorgenommene Abschläge an den Ausgabenposten der Referenzgruppe der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) korrigiert. Sodann wird die jährliche Anpassung der Regelsätze entlang der Preissteigerung bis 2009 fortgeschrieben. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kommt unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte auf einen Regelsatz von 440 Euro. Eine bedarfsgerechte Korrektur des größten Einzelpostens Ernährung erfordert eine weitere Anhebung auf 500 Euro.
3. Durch wen soll beurteilt werden, wann ein Mehrbedarf gezahlt wird, bzw.nötig ist? Auf Ihrer Internetseite äussert sich die Linke hierzu leider nur sehr schwammig. Soll hierzu eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, oder soll jedes JobCenter im Einzelfall entscheiden können?
Mehrbedarfe müssen gesetzlich geregelt sein. Für die Entscheidung über atypische Sonderbedarfe muss es eine Öffnungsklausel geben, um den Jobcentern die notwendigen Ermessensspielräume zu ermöglichen.
4. Ich bin diesbezüglich frei von Vor- und Pauschalurteilen, aber es gibt einen Teil von Personen, die angebotene Arbeit nicht annehmen wollen und werden. Warum soll ich diesen Personen Ihren Lebensunterhalt ohne Sanktionsmöglichkeit weiterfinanzieren?
"Arbeitsunwillige" Arbeitslose sind empirisch kein gesellschaftlich relevantes Problem. Sicher gibt es solche Menschen, wobei die Grenze zwischen "nicht können" und "nicht wollen" fließend bzw. eine Frage der Definition ist. Dies ist von der Größenordnung her jedoch vernachlässigbar. Sanktionen treffen deshalb fast ausschließlich unschuldige Menschen, die eigentlich "nur" eine existenzsichernde Arbeit oder Hilfen für schwierige persönliche Situationen benötigen. Das wirkliche Problem ist die Massenerwerbslosigkeit, denn es fehlen existenzsichernde Arbeitsplätze auf die vermittelt werden könnte. Fehlende Motivation ist i.d.R. nicht Ursache für Arbeitslosigkeit, sondern Folge der damit einhergehenden sozialen Stigmatisierung und Isolierung.
5. Womit soll ein "qualitativ hochwertiger öffentlich geförderter Beschäftigungssektor" wie von der Linken gefordert bezahlt werden?
Die bisherigen Pilotprojekte des ÖBS in Berlin und in Brandenburg werden aus verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Programmen finanziert. Diese Programme können so umgebaut werden, dass gesellschaftlich notwendige und dabei existenzsichernde Arbeit bundesweit finanziert wird, statt mit Steuergeldern z.B. durch sogenannte "Aufstocker" Niedriglöhne in der Wirtschaft zu finanzieren oder die Menschen in "Ein-Euro-Jobs" zu stecken.
Ich hoffe, Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Viele freundliche Grüße
Stefan Liebich