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Stefan Gelbhaar
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Udo T. •

Was ist Ihre Sichtweise zum neuen Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung?

Guten Tag Herr Gelbhaar!
Der Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung schwächt aus meiner Sicht die Wahlkreise, die direkte Demokratie und fördert Parteilisten und Personen mit Partei-Proporz.
Wenn es Wahlkreise gibt, die keine/n Abgeordnete/n entsenden, ist das zudem eine erhebliche Demotivation sich politisch zu engagieren.

Warum setzen Sie sich nicht für ein Wahlrecht ein, bei dem Überhangmandate nicht ausgeglichen werden, Wahlkreise größer werden oder Parteilisten von Bürgern mitbestimmt werden können?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr T.,

das personalisierte Verhältniswahlrecht hat sich in der Vergangenheit bewährt. Auf Grund vom Wandel in der Parteienlandschaft (höherer Fragmentierungsgrad) ist der Bundestag nun deutlich größer geworden, um eine weitere, sprunghafte Erhöhung der Mandate zu vermeiden ist eine Anpassung nötig geworden.

Für weniger und darum größere Wahlkreise hat sich insbesondere bei der Union, aber auch der SPD keine Unterstützung finden lassen. Geltend gemacht wurde dabei unter anderem, dass - in meinen Worten - größere Wahlkreise auch ein Repräsentanzproblem haben würden, weil die Abgeordneten gerade in ländlichen Räumen kaum noch erreichbar wären. Allerdings: Nach dem heute geltenden Wahlrecht können bei Ausscheiden von Wahlkreisabgeordneten unbesetzte Wahlkreise entstehen. Wenn ein direkt gewählter Abgeordneter aus dem Bundestag ausscheidet, wird der frei gewordene Sitz aus der Landesliste der Partei nachbesetzt, für die der gewählte Bewerber oder der ausgeschiedene Abgeordnete bei der Wahl aufgetreten ist.

In den vergangenen Wahlperioden ist nach Ausscheiden von Gewählten ein erheblicher Anteil an Wahlkreisen nicht mehr mit einem direkt gewählten Abgeordneten besetzt gewesen (19. Wahlperiode (WP): 17 Wahlkreise, 18. WP: 17 Wahlkreise, 17: WP: 11 Wahlkreise, 16. WP: 12 Wahlkreise). Auch in dieser Wahlperiode gibt es derzeit nur noch 294 statt 299 direkt gewählte Abgeordnete.

Die lokale Anbindung der Abgeordneten ist und bleibt wichtig. Aus diesem Grund haben wir uns für die Beibehaltung der Personenwahl in den Wahlkreisen und gegen eine reine Verhältniswahl entschieden. Die vorliegende Reform wird zu einem relativen Bedeutungsgewinn der Wahlkreisabgeordneten führen: das Verhältnis von Wahlkreisabgeordneten und Listenabgeordneten wird gegenüber der aktuellen Situation wieder angeglichen. Der relative Anteil der Wahlkreisabgeordneten im Bundestag würde mit dem aktuellen Reformentwurf wieder steigen: denn der gegenwärtige Stand des Gesetzesentwurfs sieht vor, Überhangs- und Ausgleichsmandate abzuschaffen.

Der Reformentwurf skizziert nun ein Wahlrecht, das einfacher und transparenter als das bisherige Wahlrecht funktioniert (z.B.: keine Ausgleichs- und Überhangmandate mehr). Die Repräsentation ist über in Wahlkreisen gewählte Abgeordnete (und ebenso über ja auch örtlich angebundene Listenabgeordnete) weiterhin ganz überwiegend gewährleistet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlkreise weder über im Wahlkreis noch über Liste gewählte Abgeordnete repräsentiert werden, kann noch dadurch reduziert werden, dass die gesetzliche Anzahl der Abgeordneten erhöht wird. Das wird aktuell noch diskutiert.

Ihr 
Stefan Gelbhaar

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