Inwiefern halten Sie es für vertretbar, dass das Luftkampfsystem der Zukunft (Future Combat Air System/FCAS) auch in Länder außerhalb der NATO und EU exportiert werden soll?
Sehr geehrte Frau C.,
in Zeiten knapper Kassen und hoher Staatsverschuldung müssen wir sehr genau darauf achten, wofür wir Geld ausgeben. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Prävention, soziale Absicherung und Zukunftsinvestitionen sind. Vor diesem Hintergrund halten wir auch das Ziel der NATO, dass jedes Mitgliedsland mindestens 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Militär aufwenden soll, für nicht nachvollziehbar und diskussionsbedürftig. Die haushaltspolitischen Prioritäten müssen angesichts der Corona-Pandemie und der Klimakrise auf den Prüfstand.
Angesichts der Weltlage sind wir nicht der Auffassung, dass man bei der Bundeswehr und bei der Rüstung beliebig kürzen und sparen kann. Die Bundeswehr ist ein notwendiger Bestandteil deutscher, europäischer und internationaler Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es ist heute weder aus finanzieller noch technischer Sicht sinnvoll, komplexe Großprojekte rein national zu beschaffen. Multinationale und europäische Beschaffungsprojekte machen auch politisch Sinn. Daher befürworten wir grundsätzlich europäische Kooperationen bei Rüstungsvorhaben. Sie können zum Abbau von rüstungsindustriellen Überkapazitäten und zum Aufbau europäischer Fähigkeiten führen. Gleichzeitig darf ein europäischer Ansatz nicht über eine schlechte Projektplanung bzw. -umsetzung hinwegtäuschen. Viele Großprojekte wie der TORNADO, TIGER, EUROFIGHTER oder A-400 M zeigen, dass es den Partnernationen oft an einer gemeinsamen politischen Vorstellung und effektiven Managementstruktur fehlt. Die Projekte laufen daher oft zeitlich, finanziell und technisch aus dem Ruder. Wir haben die Freigabe von Haushaltsmitteln für FCAS zuletzt abgelehnt, da zahlreiche Fragen zwischen den Partnernationen ungeklärt bzw. aus unserer Sicht unbefriedigend geregelt sind.
Für mich ist klar: Wir stellen die universellen Menschenrechte, zivile Krisenprävention und gewaltfreie Lösung von Konflikten ins Zentrum deutscher Außenpolitik. Dazu gehört es, den vielfachen und strukturellen Ursachen von Krisen und Gewalt den Boden zu entziehen und Friedenschancen zu stärken. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Pariser Klimaziele sind global vereinbarte Fahrpläne zur Krisenprävention. Auch die EU- und NATO-Staaten müssen alles unternehmen, um diese Ziele zu erreichen. Sowohl die internationale Klimafinanzierung als auch die Einhaltung der Zusagen zur globalen Entwicklungsfinanzierung sind Investitionen, die Frieden und Sicherheit zu Gute kommen. Wir wollen nicht nur bis 2025 das Ziel erreichen, 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit bereit zu stellen. Uns geht es auch darum, weitere 10 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung aufzubringen. Dafür machen wir uns stark.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Gelbhaar