Frage an Stefan Gelbhaar von Michael H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Gelbhaar,
gerade in den Sommerwochen stellt sich ein erheblicher Missstand ein, der nicht nur die unmittelbare Nähe zum Charlottenburger Schloss, sondern viele Bezirke, Kieze und Wohngebiete betrifft.
Dies sind die aufgebohrten Motorräder ewiger Berufsjugendlicher und die aufgemotzten Boliden testosteronverseuchter Jungerwachsener! Insbesondere in den Abend- und Nachtstunden, sowie an Wochenenden ist mitunter das eigene Wort nicht mehr zu verstehen. Während der Rotphasen der Ampeln wird mit dem Gas gespielt, die 300-Watt-Anlage noch einmal etwas höher gedreht, oder der Leerlauf ist derart eingestellt, dass ein nervenzerreißendes Gedröhne die Häuser erzittern lässt. Teilweise ist das Schlafen bei offenem Fenster nicht mehr möglich – und das gerade zur Sommerszeit.
Der so verursachte Lärm grenzt an Körperverletzung. Ich habe jedoch noch nie Ordnungshüter oder Polizeikontrollen gesehen, die solche Missstände geahndet hätten. Im Gegenteil. Ich habe sogar fast den Eindruck, dass diese Freizeitaktivitäten mit einhergehender Akzeptanz der Gesundheitsschädigung anderer seitens der Politik geduldet werden.
Daher meine drei Fragen:
- Können Sie sich vorstellen, dass für o.g. Lärmbelästigungen wirklich abschreckende Bußgelder verhängt und die Präsenz von Ordnungshütern zu diesem Zwecke erhöht werden?
- Können Sie sich vorstellen, ein generelles Fahrverbot für Motorräder ab einem bestimmten Hubraum (z.B. ab 80ccm) für bestimmte Tages- und Wochenzeiten (z.B. innerhalb der Ringbahn) einzuführen?
- Sind diese Missstände in Ihrer Fraktion bereits diskutiert worden und über einen Antrag an den Senat weitergeleitet worden? Wenn ja, wie war das Ergebnis, wie werden Sie in Zukunft agieren?
Diese Anfrage sende ich gleichlautend jedem Mitglied des Ausschusses Bauen, Wohnen und Verkehr über die Plattform abgeordnetenwatch.de und – falls möglich – an deren persönliche Kontaktadressen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hagen
Sehr geehrter Herr Hagen,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu Lärmbelästigung durch Motorräder, die ich als verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Abgeordnetenhaus gern beantworten möchte. Die von Ihnen geschilderte Problematik ist uns bekannt und wird in der Fraktion im Rahmen unseres generellen Anliegens, die Lärmemissionen in Berlin zu senken, diskutiert. Zu den verschiedenen Facetten der Lärmbelästigung in der Großstadt haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder Anfragen an den Senat gestellt.
Der Problematik lauter Motorräder, die vor allem auf manipulierte Technik und individuelles Fahrverhalten zurückzuführen ist, ist auf rechtlichem Wege derzeit schwer beizukommen. Die gesetzlichen Grundlagen lassen der Polizei wenig Spielraum, um nachhaltig gegen zu laute Motorräder vorzugehen. So besteht zwar nach § 49 Abs. 4 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) die Möglichkeit, eine/n MotorradfahrerIn zu verpflichten, den Schallpegel im Nahfeld in einer Messstelle feststellen zu lassen, wenn die Annahme besteht, dass das Motorrad zu laut ist.
Die Regelung ist jedoch unpraktikabel, weil die Verpflichtung nur besteht, wenn die Messstelle in der Fahrtrichtung des Fahrzeugs liegt oder über einen Umweg von höchstens 6 km zu erreichen ist. Das Bußgeld bei Nicht-Befolgung der Weisung beträgt außerdem nur 10€. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, das Standgeräusch an Ort und Stelle zu prüfen. Leider ist dieses wenig aussagekräftig über die tatsächliche Lärmbelastung und wird wahrscheinlich sehr selten überhaupt durchgeführt. Neben der Geräuschmessung kann die Polizei außerdem Sichtkontrollen auf Veränderungen/Manipulationen und Defekte an vorgeschriebenen Fahrzeugteilen sowie die Verwendung nicht bauartzugelassener Fahrzeugteile durchführen. Hier drohen Bußgelder in Höhe von 90€ für die/ den FahrerIn und 3 Punkte, wenn beispielsweise der Auspuff manipuliert ist, weil dadurch die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlischt.
Wir setzen uns dafür ein, dass PolizistInnen sensibilisiert werden, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aktiv zu werden, zudem dafür, dass sie Fortbildungen erhalten um manipulierte Maschinen auch zu erkennen. In Hamburg beispielsweise wurden 2010 lediglich 3 Verstöße gegen die Vorschriften zu Lärmvermeidung und Schalldämpferanlagen bei Motorrädern festgestellt, wie die Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage der Hamburger Bündnisgrünen ergab. Für Berlin dürfte Ähnliches gelten.
Von enormer Bedeutung für eine wirksame Eindämmung von Motorradlärm sind vor allem die gesetzlichen Vorgaben zur Geräuschentwicklung von Motorrädern, die derzeit absolut unzureichend sind. Bündnis 90/ Die Grünen setzt sich sowohl auf Landes-, Bundes- und Europaebene dafür ein, strengere Kriterien dafür einzuführen. So hat die grün-rote Regierung des Landes Baden-Württemberg im Bundesrat eine Initiative zur spürbaren Minderung von Motorradlärm eingebracht, die im Oktober 2012 vom Bundesrat angenommen wurde. Konkret fordert der Bundesrat durch den Beschluss die Bundesregierung auf, sich bei der Europäischen Kommission dafür einzusetzen, dass die von der United Nations Economic Commission of Europe (UN/ECE) für die Geräuschentwicklung von Krafträdern überarbeitete Regelung ECE-R 41 nicht in dieser Form in europäisches Recht umgesetzt werden soll. Die Vorschriften für die Genehmigung müssen so gestaltet werden, dass sie alle Nutzungs- und Betriebsformen von Motorrädern umfassen. Dazu gehört, dass nicht nur die Standgeräusche sondern auch die Fahrgeräusche gemessen und die Geräuschgrenzwerte deutlich gesenkt werden. Der Lärm muss maßgeblich an der Quelle technisch bekämpft werden.
Den Bundesratsbeschluss finden Sie hier:
http://www.bundesrat.de/cln_330/SharedDocs/Drucksachen/2012/0401-500/441-12_28B_29,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/441-12%28B%29.pdf
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat im April 2012 eine Kleine Anfrage zum Thema Eindämmung von Motorradlärm gestellt, die u.a. die Möglichkeiten von Vorbeifahrtgeräuschmessung in Ergänzung zur Standgeräuschmessung thematisiert. Die Kleine Anfrage finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/093/1709380.pdf
Ein Fahrverbot für Motorräder zu bestimmten Tages- oder Nachtzeiten bzw. an bestimmten Orten ist rechtlich schwierig und nur bedingt zielführend (der Lärm würde dann andernorts bzw. zu anderen Zeiten weiterhin erfolgen). Es müssen die rechtlichen Grundlagen dringend verbessert werden, damit der von Motorrädern emittierte, über das zulässige Maß hinausgehende Lärm zukünftig auch tatsächlich geahndet wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Gelbhaar