Frage an Sonja Lattwesen von Ingo B. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Im Sommer vergangenen Jahres hat der Hamburger Senat mit seinem Konzept „stromaufwärts an Elbe und Bille “ eine Diskussion um die Entwicklung der Stadtgebiete im Hamburger Osten angestoßen. Ende Dezember 2014 hat er seine Vorstellungen in der Senatsdrucksache 20/14117 konkretisiert.Als Stadtteil-Initiative in Rothenburgsort stellt sich für uns derzeit insbesondere die Frage nach dem Stellenwert und der Ausgestaltung der Beteiligung der Bevölkerung im angekündigten Entwicklungsprozess.
1.) Der Senat will neue Beteiligungsstrukturen entwickeln, um (u. a.) die Entwicklung im Gebiet Billebogen und in Rothenburgsort und Hamm voran zu bringen (vgl. Drs. 20/14117, S. 8, „zweitens“). Dabei kommt aus Sicht des Senats der „intensiven Beteiligung“ der Bevölkerung und der Diskussion mit den Menschen vor Ort besonderes Gewicht zu“ (vgl. S. 4).
a) Auf welche Weise können Ihrer Meinung nach solche neuen gebietsbezogenen Beteiligungsstrukturen und -formate entwickelt werden?
b) Welche neuen bzw. zusätzlichen Beteiligungsstrukturen bzw. -formate könnten Sie sich dafür auf lokaler Ebene vorstellen?
c) Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Finanzierung der Entwicklung und der professionellen Begleitung der gebietsspezifischen Bewohner-Beteiligung zu gewährleisten?
2.) Über die jeweils gebietsspezifische Beteiligung hinaus hält der Senat weitere Beteiligungsformate für erforderlich, um die übergreifenden Ziele für den Gesamtraum zu diskutieren (vgl. Drs. 20/14117, S. 8, „drittens“).
a) Auf welche Weise sollten Ihrer Meinung nach Beteiligungsstrukturen für den Gesamtraum des Programms entwickelt werden?
b) Welche Beteiligungsstrukturen bzw. -formate könnten Sie sich dazu vorstellen?
c) Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Finanzierung dieser übergreifenden Beteiligungsstrukturen zu gewährleisten?
Sehr geehrter Herr B.,
ich bin keine Vertreterin des bisherigen Senats und muss darum die Konzepte dieses SPD-Senats weder vertreten noch erklären. Darum arbeite ich mich auch nicht an ihrer Fragen-Reihenfolge ab, sondern versuche die so zu beantworten, wie vielleicht unabhängig vom derzeitigen Senat und seinen Planungen "ein Schuh daraus wird." Außerdem bin ich keine Expertin zur Theorie von Beteiligungsprozessen, konnte aber in Wilhelmsburg in den vergangenen Jahren einige Beteiligungsprozesse beobachten bzw. daran mitarbeiten.
Meiner Erfahrung nach sollten Beteiligungsstrukturen nicht gedoppelt werden - zu demselben Gebiet sollten also nicht ein oder mehrere Beiräte mit überschneidendem Arbeitsauftrag tagen. Das führt nur zu Abnutzungserscheinungen und hohem zeitlichen Koordinierungs-Bedarf bei allen (meist ehrenamtlichen) Beteiligten.
Eine Beteiligungsstruktur sollte das lokale Wissen optimal einbinden: In Rothenburgsort haben wir den Stadtteilrat, im südlichen Hamm den Quartiersbeirat Osterbrookviertel. Für diese Gebiete ist es sicher am sinnvollsten, beide Beiräte zu fördern und (finanziell) zu ertüchtigen, so dass die Beteiligung für diese lokalen Gebiete bei den bewährten Strukturen bleiben.
Finanziell ist diese Beteiligung momentan nicht gedeckt: Die kommende Bürgerschaft muss im kommenden Haushalt auf Landesebene den Beteiligungstopf entsprechend ausstatten. Momentan sind das also Pläne ohne Deckung. In Hamburg-Mitte konnten wir Grüne auf Bezirksebene in der Koalition mit der SPD die Ausstattung der bestehenden Beiräte mit Müh und Not aufrecht erhalten; es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn wir die Beiräte zunächst hätten schließen müssen, um sie dann mühsam wieder zu erwecken. An dieser Stelle muss die Bürgerschaft den Bezirksämtern die entsprechenden Haushaltstitel erhöhen bzw. einen landesweiten Beteiligungstopf auflegen.
Zum nächsten muss eine Beteiligungsstruktur von vornherein sagen, was sie leisten kann - und was nicht: Was kann vom Bürger frei geplant werden, welches Grundstück ist gar nicht im Besitz der Stadt oder bereits verkauft, welcher Teil ist bereits überplant und wo liegen die rechtlichen Grenzen. Realistische Vorraussetzungen begrenzen Frustrationen.
Zum großen Ganzen:
In HH-Mitte finden bzw. fanden mit dem Perspektiven!-Prozeß in Wilhelmsburg und der Planbude an den ESSO-Häusern die beiden spannendsten Beteiligungsmöglichkeiten statt. Der Perspektiven-Prozeß war mit Sicherheit der umfangreichste, teuerste und gründlichste. Die Planbude ist mit ihrem Zuschnitt auf diese Ecke St. Paulis sehr speziell und auch sehr kleinteilig, aber durch die Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Wissenschaftlern, Planern und Anwohnern auch am interessantesten. Die BSU hat mit der Auftaktveranstaltung zu "Stromaufwärts" ein drittes Format versucht. Für das Planungsergebnis bleiben die Strukturen vor Ort allerdings am wichtigsten.
Mit freundlichen Grüßen
Sonja Lattwesen