Frage an Sören Schumacher von Annelie T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schumacher,
mit Unverständnis lese ich, dass Sie als Vorsitzender der Härtefallkommission gegen einen Verbleib der Familie Racipovic gestimmt haben. Darum denke ich, dass mein am Montag an unseren Bürgermeister gesandter Brief (nachfolgend im Wortlaut) für Sie von Interesse sein wird:
"Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
der „Hamburger Morgenpost“ entnehme ich, dass am heutigen Tag eine junge Schülerin, die o.g. Selenora, durch unseren Schulsenator Herrn Rabe geehrt wird. Ihr Verdienst sind besondere Leistungen zur Integration!
Ich freue mich darüber sehr.
Solche engagierten jungen Menschen braucht unsere Stadt, braucht unser Land!
Doch dann lese ich weiter, dass die Abschiebung dieses jungen Menschen nebst Eltern und Geschwistern unmittelbar bevorsteht.
Soll man da lachen, soll man da weinen? Es kann sich doch nur um eine Farce handeln!
Herr Bürgermeister, ich bin seit 1966 Mitglied der SPD, Sie sind mein Wunsch-Bürgermeister, zuletzt haben Sie mich begeistert auf dem Rathausmarkt, als Sie und ich und viele Hamburger bekannt haben: „Hamburg ist bunt“. Wenn das nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll, müssen Sie alles tun, um die Abschiebung zu verhindern. Die Situation der Roma ist hinlänglich bekannt, wohin auch immer sie verbracht werden, haben diese Menschen nichts Gutes zu erwarten Wir haben die Verpflichtung aus der Geschichte, für sie einzutreten!
Sollte die Abschiebung dennoch stattfinden, nehmen Sie dieses Schreiben als meinen Austritt aus der SPD, eine Kopie gebe ich an meinen Ortsverein zur Kenntnisnahme.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Annelie Tietze"
Allein auf die bestehende Gesetzeslage zu verweisen reicht mir als Erklärung für Ihr Abstimmungsverhalten in der Härtefallkommission nicht, Herr Schumacher! Dann wäre dieses Instrument der demokratischen Entscheidungsfindung nämlich überflüssig.
Muss ich davon ausgehen, dass die "Buntheit" Hamburgs bei Ihnen nicht angekommen ist?
Freundliche Grüße
Annelie Tietze
Sehr geehrte Frau Tietze,
vielen Dank für Ihre Frage, die mir Gelegenheit zu einigen Erläuterungen gibt. Allerdings darf und werde ich Ihnen zum konkreten Fall, den Sie ansprechen, keine Auskünfte geben. Denn die Sitzungen der Härtefallkommission sind wie das gesamte Eingabenverfahren vertraulich. Dies nicht etwa, weil die daran beteiligten Parlamentarier und Behördenvertreter die Öffentlichkeit scheuen, sondern zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Petenten. Aus eben diesem Grund wird auch das Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Härtefallkommission nicht öffentlich bekanntgegeben - auch nicht gegenüber der Presse. Denn die Entscheidungen ließen sich in aller Regel nur unter Rückgriff auf die Lebensgeschichten und sehr persönlichen Daten der Petenten begründen. Dass sich das verbietet, werden Sie sicherlich verstehen.
Übrigens ist auch in dem von Ihnen angesprochenen Fall die Presse nicht über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten informiert worden - auch nicht über meines.
Sie haben recht: Allein auf die bestehende Gesetzeslage zu verweisen reicht als Erklärung für die Entscheidungen der Härtefallkommission nicht. Die HFK wurde eingerichtet, um genau in jenen Fällen ein Aufenthaltsrecht zu ermöglichen, in denen von Gesetzes wegen kein Anspruch besteht. Denn es gibt immer wieder sehr spezielle Lebensumstände, die kein noch so ausdifferenziertes Gesetz erfassen kann. Deshalb wird jeder Einzelfall genau geprüft. Bisweilen gelangt die Kommission aufgrund der zumeist umfangreichen Dokumenten allerdings auch zur Überzeugung, dass ein Härtefall nicht vorliegt.
Sie können sicher sein, dass die HFK sich ausreichend Zeit nimmt, alle Gesichtspunkte eines Falles zu beleuchten. Uns allen ist immer bewusst, dass hinter jedem „Fall“ ein Schicksal steht. Deshalb glaube ich, für alle Mitglieder der HFK sprechen zu können, wenn ich Ihnen sage: Kein Mitglied der HFK macht sich seine Entscheidung leicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Sören Schumacher