Warum sollten private Verbraucher kein Cannabis anpflanzen dürfen, wenn sie sich somit selbst vom Schwarzmarkt entfernen?
Guten Abend Frau Borchert
Zu erst einmal kann ich Ihnen einen Glückwunsch zur gewonnenen Bundestagswahl aussprechen.
Ich bin 42 Jahre alt und im sozialen Bereich berufstätig und genieße gern in meiner Freizeit Cannabis. Vor einigen Jahren habe ich mich fest dazu entschlossen, Alkohol nicht mehr als Freizeitdroge zu nutzen und verzichte seither bis auf wenigste Ausnahmen auf den Konsum von Alkohol.
Nun zu meiner Frage:
Konkret- was haben meine drei Cannabis Pflanzen in meinem Keller in Kassel, die ich ausschließlich für den Eigenbedarf angepflanzt habe, mit der Clankriminalität und den Bandenkriegen in NRW zu tun und warum soll ich mich gezwungen fühlen, Alkohol zu konsumieren, wenn ich mich mit Cannabis (wesentlich) wohler fühle?
Ich empfinde die Idee, das CanG grundsätzlich zu widerrufen als Eingriff in meine privaten Lebensverhältnisse, da ich mit meinen eigenen Pflanzen keinen Schwarzmarkt finanziere und ich mich als Erwachsen genug empfinde, es für mich selbst zu entscheiden.

Vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre offenen Worte. Ich schätze es sehr, dass Sie Ihre Sichtweise so detailliert dargelegt haben. Ihr Anliegen ist nachvollziehbar, und es ist mir wichtig, auf Ihre Argumente ebenso ausführlich einzugehen.
Das Thema Cannabis-Legalisierung – insbesondere der Eigenanbau – ist ein komplexes Feld, bei dem viele Aspekte berücksichtigt werden müssen: Gesundheitsrisiken, Jugendschutz, Kriminalitätsprävention und gesellschaftliche Verantwortung. Ich möchte Ihnen daher darlegen, warum ich den privaten Eigenanbau kritisch sehe und weshalb ich mich für einen anderen Weg einsetze.
Der Schwarzmarkt wird nicht durch Eigenanbau beseitigt
Ein zentrales Argument vieler Befürworter des Eigenanbaus lautet, dass dieser den Schwarzmarkt austrocknen könnte. Doch die Realität sieht anders aus. Selbst in Ländern wie Kanada und einigen US-Bundesstaaten, wo der Eigenanbau in gewissem Umfang erlaubt ist, existiert der Schwarzmarkt weiterhin. Professionelle Dealer und organisierte Kriminelle finden Wege, sich in Nischen zu positionieren – beispielsweise durch hochkonzentrierte Cannabisprodukte oder durch illegale Verkaufsplattformen im Internet.
Der Schwarzmarkt zieht nicht nur Gelegenheitskonsumenten an, sondern vor allem jene, die gezielt nach stärkeren oder günstigeren Produkten suchen. Der Eigenanbau mag also einigen Privatpersonen die Möglichkeit bieten, sich unabhängig zu versorgen, doch er löst das Problem des organisierten Drogenhandels nicht. Vielmehr riskieren wir, durch private Anbauformen neue Grauzonen zu schaffen, die Kriminellen in die Hände spielen.
Eigenanbau erschwert die Arbeit der Strafverfolgung
Ein weiteres Problem beim privaten Eigenanbau ist die Kontrolle. In einem System, das den Anbau durch Privatpersonen erlaubt, ist es für die Polizei extrem schwierig, zwischen legalem Eigenanbau und illegalem Drogenhandel zu unterscheiden.
Stellen Sie sich vor, Nachbarn melden den Verdacht auf Drogenanbau, weil intensive Gerüche aus einem Keller dringen. Was dann? Die Polizei müsste zunächst aufwendig prüfen, ob die Pflanzen in erlaubter Menge und mit legalen Mitteln gezogen werden. Gerade in Regionen, in denen Drogenkriminalität bereits ein Problem ist, bindet das erhebliche Ressourcen.
Zudem wissen wir aus Erfahrungen in anderen Ländern, dass der Eigenanbau häufig als Tarnung für größere illegale Anbauprojekte genutzt wird. In der Praxis bedeutet dies: Mehr Eigenanbau kann dazu führen, dass Ermittlungsbehörden deutlich häufiger eingreifen müssen – und so an anderer Stelle weniger Kapazitäten für die Bekämpfung organisierter Kriminalität haben.
Der Schutz von Jugendlichen ist schwerer sicherzustellen
Ein besonders wichtiger Punkt ist der Jugendschutz. Beim privaten Anbau entzieht sich der Konsum weitgehend der Kontrolle. Während lizenzierte Abgabestellen strenge Auflagen erfüllen und sicherstellen müssen, dass Cannabis nicht an Minderjährige weitergegeben wird, gibt es beim Eigenanbau keine solche Absicherung.
Gerade für Jugendliche stellt Cannabis eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Die Hirnentwicklung kann durch regelmäßigen Konsum beeinträchtigt werden, und Studien zeigen, dass ein früher Einstieg das Risiko für Abhängigkeit und psychische Erkrankungen deutlich erhöht.
Der Eigenanbau erhöht die Gefahr, dass Cannabis durch Unachtsamkeit oder bewusste Weitergabe in die Hände von Jugendlichen gerät. Es wäre naiv zu glauben, dass diese Risiken allein durch Aufklärung und Eigenverantwortung ausgeschlossen werden könnten.
Der Eigenanbau birgt gesundheitliche Risiken
Ein weiteres Problem, das oft unterschätzt wird, sind die Gesundheitsrisiken, die durch unsachgemäßen Anbau entstehen können.
Falsche Düngemittel oder ungeeignete Pflanzenschutzmittel können die Cannabis-Pflanzen kontaminieren und den Konsum gesundheitsschädlich machen.
Schimmelbildung in schlecht belüfteten Anbauräumen ist ebenfalls ein Risiko und kann beim Konsum schwere Atemwegsprobleme auslösen.
Auch der unsachgemäße Umgang mit der Trocknung und Lagerung kann dazu führen, dass sich gefährliche Substanzen bilden, die nicht sofort erkennbar sind.
Während lizenzierte Produzenten in einem regulierten Markt strenge Qualitätskontrollen einhalten müssen, entfällt diese Kontrolle beim Eigenanbau völlig.
Cannabis ist nicht harmlos
Ich respektiere Ihre Entscheidung, auf Alkohol weitestgehend zu verzichten und stattdessen Cannabis zu konsumieren. Dennoch darf nicht verschwiegen werden, dass auch Cannabis gesundheitliche Risiken birgt – insbesondere in Bezug auf psychische Erkrankungen.
Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und einem erhöhten Risiko für Psychosen, Depressionen und Angststörungen – insbesondere bei Personen, die bereits eine gewisse Veranlagung dafür haben.
Die Vorstellung, Cannabis sei eine harmlose Freizeitdroge, unterschätzt diese Gefahren erheblich. Deshalb halte ich es für wichtig, den Zugang zu Cannabis bewusst zu regulieren und durch strenge Regeln Risiken zu minimieren.
Gesellschaftliche Verantwortung und Prävention
Als Politikerin sehe ich es als meine Aufgabe, nicht nur individuelle Freiheitsrechte zu berücksichtigen, sondern auch das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick zu behalten. Eine umfassende Präventionsstrategie, die auf Aufklärung, Beratung und gezielten Hilfsangeboten basiert, ist aus meiner Sicht der sinnvollste Weg, um den problematischen Konsum von Cannabis einzudämmen.
Gleichzeitig ist es mir wichtig, auf die Bedürfnisse derjenigen einzugehen, die bewusst und verantwortungsvoll konsumieren. Hier sehe ich die kontrollierte Abgabe in lizenzierten Abgabestellen als die sinnvollere Lösung. Dort können Qualität und Reinheit der Produkte geprüft und sichergestellt werden, dass keine Jugendlichen Zugang erhalten.
Fazit
Ich kann nachvollziehen, dass Sie Ihren Eigenanbau als einen verantwortungsbewussten und unabhängigen Weg betrachten, um sich vom Schwarzmarkt fernzuhalten. Doch aus den genannten Gründen – insbesondere der erschwerten Kontrolle, den Risiken für Jugendliche und der Gefahr neuer krimineller Grauzonen – halte ich den privaten Eigenanbau für den falschen Weg.
Mein Ziel ist es, durch klare und konsequente Regelungen einerseits den Konsum in sichere Bahnen zu lenken und andererseits den Schwarzmarkt konsequent zu bekämpfen. Der Eigenanbau würde diese Ziele nicht nur gefährden, sondern neue Probleme schaffen.
Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit und den respektvollen Austausch. Es ist mir wichtig, dass wir diese Debatte weiterhin sachlich und konstruktiv führen.
Mit freundlichen Grüßen
Simone Borchardt, MdB