Frage an Silke Stokar von Neuforn von Tobias K. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Stokar von Neuforn,
bereits 1998 versprach die rot-grüne Regierung die Rücknahme des Vorbehalts zur UN-Kinderrechtskonvention. Passiert ist seither nichts, obwohl sich auch der Bundestag für eine Rücknahme des Vorbehalts ausgesprochen hat. Dadurch ist das Kindeswohl weiterhin nachrangig zum deutschen Ausländerrecht, die Kinderrechtskonvention wird für nichtdeutsche Kinder somit außer Kraft gesetzt.
Anlässlich des Tags der Kinderrechte am 20.11.08 wird daher ein breites Bündnis rund um die Jugendkonferenz der „Jugendlichen Ohne Grenzen“ (JOG) u.a. für die volle Umsetzung der UN-Kinderrechte demonstrieren und sich mit dieser Forderung an die parallel stattfindende Innenministerkonferenz in Potsdam wenden. (www.jogspace.net)
In der Debatte um die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz spielt die Rücknahme des Vorbehalts bisher keine Rolle. Daher bitte ich auch die Grünen als Oppositionspartei dieses Thema nicht zu vergessen und frage Sie:
1. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Vorbehaltserklärung nach 16 Jahren endlich zurückgenommen wird und die UN-Kinderrechte voll umgesetzt sowie ins Grundgesetz aufgenommen werden?
2. Auf welche Art und Weise werden Sie und Ihre Fraktion insbesondere bei den Landesinnenministern für dieses Anliegen werben und die jungen Flüchtlinge von JOG in ihren Forderungen unterstützen?
3. Warum hat die rot-grüne Regierung den Vorbehalt damals nicht zurückgenommen?
viele Grüße und danke für Ihre Aufmerksamkeit,
Tobias Klaus
Sehr geehrter Herr Klaus
mit der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde der Kinderrechtskonvention 1992 hatte die Bundesregierung erklärt, dass die Vorgaben der UN-KRK in Deutschland nicht zwingend für die Einreise von Ausländern und die Bedingungen ihres Aufenthalts in Deutschland gelten dürfen. Die Bundesregierung behalte sich vor, Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen.
Wir sind der Ansicht, dass wegen dieser Vorbehalte bis heute ausländische Flüchtlingskinder und Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft ungleich behandelt werden. Dies betrifft vor allem die Flüchtlingskinder, die ohne Begleitung von Erwachsenen nach Deutschland einreisen. Ein Zustand, der für uns nicht hinnehmbar ist.
Der Deutsche Bundestag hat insgesamt vier Beschlüsse zur Rücknahme gefasst. Auch der Petitionsausschuss und die so genannte Süßmuth-Kommission haben der Bundesregierung und den Landesregierungen empfohlen, die Vorbehaltserklärung zurückzunehmen. Geschehen ist bislang nichts. Auch unter Rot-Grün hat sich unsere Fraktion für die Rücknahme stark gemacht, sie scheitete aber an der SPD-Fraktion - vor allem am Veto des seinerzeitigen Bundesinnenministers -- und an den angeblich zu beteiligenden Bundesländern.
Auch in dieser Wahlperiode haben wir unser Engagement nicht eingestellt. Wir haben den Bundestagsantrag "Kinderrechte in Deutschland vorbehaltlos umsetzen -- Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen" (Drucksache 16/1064) gestellt. Wir haben hierzu die Große Anfrage "Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention" (Drucksache 16/6076) gestellt und nach Ablauf von 10 Sitzungswochen eine außerordentliche Debatte im Plenum initiiert.
Auch haben wir als erste Bundestagsfraktion die Bundesregierung in einem Antrag aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Kinderrechte in der Verfassung vorzulegen. Nachdem sich zahlreiche Mitglieder der Koalition einschließlich der Bundeskanzlerin und der Bundesfamilienministerin hierzu positiv geäußert hatten, war dann nur noch großes Schweigen zu verzeichnen. Unserem Bundesantrag "Kinderrechte in der Verfassung stärken" (Drucksache 16/5005) ergeht es seither ähnlich wie der Initiative zur Rücknahme der Vorbehalte. Und natürlich gibt es zwischen beiden Anliegen ein Verbindung: Die Stärkung von Kindern als Träger eigener, subjektiver Rechte. Eine stärkere Konzentration auf das Kindeswohl (Vorrangigkeitsprinzip) und die Forderung nach mehr Engagement der staatlichen Gemeinschaft bei der Schaffung einer kindgerechten Welt.
Leider ist in Sachen Kinderrechte in der Großen Koalition von Einigkeit nicht viel zu erkennen. Statt jedoch dazu zu stehen und unsere Anträge wenigsten abzulehnen, wird das Thema seit Jahren "ausgebremst".
Trotzdem werden wir auch zukünftig hartnäckig unsere Anliegen weiter verfolgen und auf eine Debatte bestehen.
Weitergehende Informationen zu unseren Kinderrechte-Initiativen finden Sie im Internet unter: http://www.gruene-bundestag.de >Themen> "Familie"
Wir wünschen auch Ihnen viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Stokar