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Silke Stokar von Neuforn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Silke Stokar von Neuforn von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stokar von Neuforn,

es geht um die Folgen der Ankoppelung der Kirchensteuer an die Abgeltungssteuer. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung werden ab 2011 die Banken die Möglichkeit haben, sich über religiöse Daten von Steuerpflichtigen zu informieren. Dies bestätigte in Abgeordnetenwatch Herr Eduard Oswald in seiner Antwort vom 15.2.07 an Frau Großmann.

Auf Ihrer Webseite(www.stokar.de) kann man unter DATENSCHUTZ ALS FUNDAMENT DER INFORMATIONSGESELLSCHAFT lesen: In Deutschland ist die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten immer noch nicht verwirklicht. Deshalb gibt es ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.

In Abgeordnetenwatch erwähnten die Herren Ranner und Halfmann in diesem Monat in Fragen an Herrn Wolfgang Wieland den von staatlichen Behörden durch die Weitergabe von Daten mitverursachten Berliner Kirchensteuerskandal. Schweigen die Datenschützer als Folge der Nichtverwirklichung ihrer Unabhängigkeit?

Sind Sie dafür, dass die Bundestagsgrünen nach der zu erwartenden Umsetzung des Gesetzentwurfs zur Abgeltungssteuer das Bundesverfassungsgericht anrufen?

Haben die Datenschutzbeauftragten der Länder im Falle der Änderung der Kirchensteuergesetze die Möglichkeit, die Landesverfassungsgerichte anzurufen?

Unter welcher Mail- und Postadresse ist die für das Vertragsverletzungsverfahren zuständige EU-Kommission erreichbar?

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reth,

danke für Ihre Frage zur Erhebung der Kirchensteuer.

Gleich zu Beginn meiner Antwort will ich bekennen, ich bin Mitglied der evangelischen Kirche. Das spannende an Abgeordnetenwatch ist der Anspruch, individuelle Antworten, die durch eigene Überzeugungen und Grundwerte geprägt sind, zu geben.

Ich habe Deutschland nie als einen Staat gesehen, in dem die strikte Trennung zwischen Staat und Kirche vollzogen ist. Die Beziehung zwischen Kirche und Staat ist vielmehr historisch gewachsen und durch vielfältige Staatsverträge und Gesetze hat sich ein spezielles Kirchenrecht entwickelt. Ich trete dafür ein, dass alle Bürgerinnen und Bürger unbürokratisch und ohne Kosten ihren Kirchenaustritt erklären können und dass niemand Nachteile haben darf oder diskriminiert werden darf, wenn er oder sie konfessionslos ist.

Aber selbst im erst kürzlich verabschiedeten Gleichbehandlungsgesetz (Antidiskriminierungsgesetz) gibt es Sonderregelungen für kirchliche Institutionen. Eine Muslima mit Kopftuch kann als Erzieherin in einem katholischen Kindergarten abgelehnt werden. Das Grundrecht, dass die Religionszugehörigkeit nicht offenbart werden muss, wurde bereits in der Vergangenheit durch Gesetze eingeschränkt. Grundrechte gelten nicht absolut, auch für andere Grundrechte gibt es gesetzliche Beschränkungen. Wir haben in Deutschland die bewährte Praxis des staatlichen Einzugs von Kirchensteuern. Ich möchte persönlich an dieser Praxis festhalten, weil auf der anderen Seite die Kirchen Verantwortung für soziale Belange übernehmen. Die kirchlichen Angebote in den Bereichen Kinderbetreuung, Jugendarbeit oder Hilfe und Unterstützung für Wohnungslose sind unverzichtbare Bestandteile des sozialen Netzes. Ich habe persönlich in Niedersachsen in der Flüchtlingspolitik Hilfe und Unterstützung durch die Kirchen erfahren, oft war die letzte Rettung für Flüchtlinge in Not das Kirchenasyl.

Erhebliche Datenschutzprobleme sehe ich bei den derzeitigen Plänen der Bundesregierung, die Kirchensteuer an die Abgeltungssteuer zu koppeln. Es ist in meinen Augen verfassungswidrig, wenn die Religionszugehörigkeit gegenüber den Banken angegeben werden muss. Eine mögliche Verfassungsklage kann erst geprüft werden, wenn hier ein konkretes Gesetz der Großen Koalition vorliegt.

Nun zu Ihrer letzten Frage: Die Europäische Kommission erreichen Sie über das Internet, der Datenschutzbereich hat die Mail: DIGIT-EUROPA@ec.europa.eu

Mit freundlichen Grüßen

Silke Stokar