Sehr geehrte Frau Möller, in wieviel Fällen konnte keine Organtransplantation durchgeführt werden, weil keine Zustimmung vorlag und auch nicht in angemessener Zeit erreichbar war?
Ihr Parteifreund Lauterbach erwägt, zu Organspenden die Widerspruchslösung einzuführen. Da er keine Fragen auf dieser Plattform beantwortet, richte ich die Frage an Sie als meine gewählte Wahlkreisabgeordnete. Die Frage hat auch sein Vorgänger im Amt nie beantwortet, ich halte sie aber für relevant für die Einführung einer derartig in die Rechte einer Person eingreifende Regelung.
Ich bin grundsätzlich Befürworter der Organtransplantation, besitze auch einen Spenderausweis. Sollte diese Regelung aber nur nötig werden, weil aus Bequemlichkeit oder zur Kostenersparnis der Kliniken potenzielle Spender nicht gemeldet werden, würde ich mich für einem Widerspruch entscheiden.
Sehr geehrter Herr B.,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht. Das Thema Organspende ist ein sehr sensibles und auch ich tue mich mit einer ethischen Entscheidung schwer, die so tief in das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen eingreift.
Fakt ist, dass in Deutschland mehr als 9200 Menschen auf ein dringend benötigtes Spenderorgan warten, während es 2020 lediglich 913 Organspenderinnen und -Spender gab. Selbstverständlich gab es dabei bei jedem Sterbefall, bei dem eine potenzielle Organentnahme möglich erschien, eine Prüfung der entsprechenden Umstände.
Umfragen zeigen, dass in Deutschland 84% der Menschen einer Organspende positiv gegenüberstehen und 98% im Notfall eine Organspende annehmen würden. Allerdings haben nur etwa 44% der Menschen in Deutschland ihre Entscheidung diesbezüglich schriftlich, also bspw. durch einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung, festgehalten. Die Versuche der Vergangenheit, diese Quote zu erhöhen, waren nur wenig erfolgreich. Daher komme auch ich zu dem Entschluss, dass mithilfe einer doppelten Widerspruchslösung dieser Problematik beigewohnt werden kann.
Bei der doppelten Widerspruchslösung prüft zunächst der Arzt, ob ein (schriftlicher) Widerspruch des Verstorbenen zur Organentnahme vorliegt und befragt, falls dies nicht der Fall sein sollte, den nächsten Angehörigen dazu. Meldet auch diese Person keinen Widerspruch an, kann der Arzt über die Organentnahme entscheiden. Ich persönlich halte dieses Vorgehen für ethisch vertretbar und finde, dass wir es den Bürgerinnen und Bürgern zumuten können, sich aktiv mit einer Entscheidung diesbezüglich zu befassen. Gleichzeitig habe ich Verständnis für alle Menschen, die eine Widerspruchslösung kritisch sehen und dies als zu tief eingreifend in das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Einzelnen empfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Siemtje Möller