Sieglinde Müller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Uwe T. •

Frage an Sieglinde Müller von Uwe T. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Müller,

mich interessiert, wie Sie zum bedingungslosen Grundeinkommen stehen?

Mit freundlichem Gruß

Uwe Tschitschke

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Tschitschke,

ich bedanke mich für Ihre wirklich wichtige Frage in diesem öffentlichen Podium.
Wir haben heute ALG II Empfänger/innen, die klar eingestuft für alle nachprüfbar in Miethöhe und Existenz nur noch einen gläsernen arbeitssuchende Armutsmensch darstellen. Wir haben die sogenannten „Aufstocker“, die auf Grund des in Deutschland praktiziertem Lohndumpings nicht mehr von ihrer Arbeit leben können. Und wir haben Millionen von Menschen, die auf Grund von Alter, Scharm oder falscher Beratung am Rande einer Hungerexistenz leben müssen. Jedes 4. Kind in unserer Stadt lebt in Armut. Bei all diesen Betroffenen bleiben neben der gesundheitliche Versorgung, gesellschaftliche Teilhabe und der Bildungschance auch die Unantastbarkeit der Würde, der Datenschutz und die Selbstbestimmung auf der Strecke. „Hartzer“, „Aufstocker“ oder „1 € Jobber“, die Liste wird immer länger auf die betroffene Menschen mittlerweile reduziert werde.

Ja natürlich Herr Tschitschke, wir brauchen das bedingungslose, individuelle, armuts- und kulturfeste Grundeinkommen! Aber dass das Grundeinkommen notwendig wird, hat eine Seite, die abscheulich und skandalös ist.
Bei der Einführung vom ALG II unter rot-grün wurden unsere Änderungsvorschläge kaum beachtet. Wir waren nun mal der kleinere Koalitionspartner.
Daher wird das vom Einkommen unabhängige Kindergeld immer noch als Einkommen bei Hilfeempfänger/innen angerechnet und vom Regelsatz abgezogen. Vom Einkommen unabhängig, bedeutet aber nach dem Einkommenssteuergesetz auch unabhängig, also egal ob beim Millionär oder bei Hilfeempfängern! Das hatte Folgen, die Situation von Familien mit ALG II oder anderen Leistungen aus dem Hartz IV Gesetz ist genau deshalb dramatisch.

Ich weis, dass der Regelsatz für eine gesunde Ernährung nur bis zum 25. des Monats reicht. Dazu dürfen dann jedoch keine anderen Belastungen, wie z. B. Schulden, Kita, eine neue Waschmaschine oder Vattenfall kommen.
Wenn dann Junior mehrere Wachstumsschübe hat, ist der 3. Schuhkauf in einem Monat fällig egal, ob das hungern heißt oder die Nichtbezahlung der Stromrechnung. Und eine Zahnspangenbehandlung für die Kurzen bedeutet für die betroffenen Eltern sogar den Offenbarungseid, denn sie müssen für ihre Kinder in „Vorkasse“ gehen, (20 bis 150 Euro im Monat für den Kieferorthopäden) bevor sie vielleicht in 5 Jahren das Geld von der Krankenkasse zurückbekommen. Menschen, die einen leeren Kühlschrank habe oder Kinder die nicht auf einen Kindergeburtstag gehen, weil die Eltern kein Geschenk kaufen können sind die Regel geworden. Senioren, die „bescheiden“ von 210,00 Euro leben, Schwersterkrankte, die in ihren Wohnungen sterben und 6 Monate danach die Kostenübernahme für die Beseitigung der Türschwellen erhalten sind das Ergebnis einer menschenverachtenden und ignoranten Arbeits- und Sozialpolitik.

Meine norwegische Verwandtschaft brachte es auf den Punkt: „Was macht Ihr bloß mit Euren Leuten!“ Dass das in einem der reichsten Länder Europas überhaupt möglich ist, raubt mir oft die Sprache und ich werde nicht müde werden dagegen anzukämpfen! Ist es nicht Wahnsinn, dass nur auf Grund des Versagens der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik wir das bedingungslose, individuelle, armuts- und kulturfeste Grundeinkommen überhaupt brauchen? Die Ursache des Grundeinkommens ist zu bekämpfen, nicht das Grundeinkommen.

Mit freundlichen Grüssen

Sieglinde Müller