Frage an Sieglinde Müller von Renata G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
An alle Kandidaten, die mit fast Jubelgeschrei eine neue Waldorfschule begrüßen würden (ganz abgesehen von den Überzeugungen Steiners, die von Fachleuten sehr kontrovers diskutiert werden), stelle ich mit großem Interesse diese Frage:
Sind Sie sich bewußt, dass alle Arten freier Schulen ein Schulgeld erheben und nur einen geringen Prozentsatz kostenreduzierter oder freier Schulplätze bereit halten? Die Erweiterung der Vielfalt der sehr reformbedürftigen Schullandschaft Berlins - eigentlich ganz Deutschlands - wird also in erster Linie Familien mit den entsprechenden Geldbeuteln vorbehalten bleiben. Wohlbemerkt, jede dieser "staatlich anerkannten Ersatzschulen" bekommt bis heute etwas über 90 % der Mittel einer staatlichen Schule von ebendiesem (Staat).
Nun sollten Sie Ihre Antwort evtl. noch einmal neu formulieren.
Menschen, die mehr als plakative Zugeständnisse lesen wollen, werden es Ihnen danken!
Sehr geehrte Frau Grünhom,
wer mich kennt der weis, dass ich keine plakativen Zugeständnisse mache und sie von anderen auch nicht akzeptiere. Das möchte ich voranstellen.
Sie wissen, dass Eltern natürlich eine Ermäßigung bei einem monatlichem positiven Einkommen unter 2.900 € erhalten, wenn sie mehrere Kinder im Haushalt führen? Nur unendlich ist diese Liste der reduzierten Aufnahmen bei den Waldorfschulen natürlich auch nicht.
Deshalb konkret: Die Waldorfschulen legen als einzige der freien Schulen jährlich ihren Haushalt offen dar. Nicht nur dort ist nachzulesen, dass sie lediglich etwa 60 % (also nicht 90 %) der Kosten für vergleichbare Schüler/innen von öffentliche Schulen erhalten. Hinzu kommt die Rechtssprechung. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württenberg (Urteil vom 19.07.2005 AZ 9 S 47/03): Ein Schulgeld von höchstens 120,00 € pro Kind und Monat ist dem Grundgesetz entsprechend.
Auch das hatte natürlich Folgen im innerschulischem Betrieb und in der Höhe des Schulgeldes. Die Differenz der laufenden Ausgaben kann die Waldorfschule eigentlich nur über Engagement der Eltern und über Spenden einigermaßen ausbügeln. Hier stehen öffentliche Schulen klar besser dar. Und das ist sehr leicht nachzuprüfen.
Dennoch kann ich verstehen, dass Eltern einem Ablehnungsschreiben der Waldorfschulen auf Grund ihrem Einkommens und einem notwendigen Auswahlverfahrens wütend gegenüber stehen. Schließlich wurde die Waldorfschule 1919 als „Schule für Arbeiterkinder“ gegründet.
Ich würde jedoch diese Diskussion gerne auf einer anderen Ebene führen.
Die Frage ist doch zu stellen: Warum werden Schulen wie die Waldorfschule nicht adäquat ausgestattet, wenn ihre pädagogischen Ziele längst anerkannt sind? Schließlich bedeuten die Folge der Unterfinanzierung den zwangsweisen Ausschluss von vielen Schüler/innen.
Die Waldorfschulen können also - und das haben Sie zu Recht geschrieben - nur einen geringen Prozentsatz an kostenreduzierten Schüler/innen aufnehmen. Aber, wie gesagt, das hat Gründe. Das sollten wir ändern. Daran würde ich gerne mitarbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Sieglinde Müller