Frage an Siegfried Deuschle von Bastian H. bezüglich Gesundheit
Vorausgesetzt morgen gäbe es eine Bundestagsabstimmung zur Cannabisproblematik, deren Ergebnis eine Streichung von Cannabis aus dem BtmG zur Folge hätte.
Wie sähe in diesem Fall Ihre Entscheidung aus, würden Sie für oder gegen solch eine Maßnahme stimmen und was bitte wären Ihre Entscheidungskriterien dabei?
Sehr geehrter Herr Hauptstein,
vielen Dank für Ihr Interesse an den Positionen der Linkspartei.PDS.
In Deutschland leben etwa 120 000 bis 150 000 Opiatabhängige, 60 000 davon befinden sich in einer Behandlung mit einem Ersatzmedikament. Die Qualität der Substitution wurde verbessert und der Zugang erleichtert. Die Zahl der tabakbedingten Todesfälle liegt bei 110 000 pro Jahr, also bei über 300 am Tag. An Lungenkrebs starben 2003 über 10 000 Frauen. Ziel des 2004 gebildeten Drogen- und Suchtrates ist es, Nichtrauchen in Deutschland zum Normalfall zu machen. Durch die Tabaksteuer ging die Raucherquote bei den 12- bis 17-Jährigen zurück. Ähnlich die Wirkung bei den spirituosenhaltigen Alkopops, die 2004 mit einer Sondersteuer belegt wurden. Es wird geschätzt, dass über 42 000 Todesfälle jährlich auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind. 1,6 Millionen Menschen sind alkoholabhängig.
Alarmierend ist der steigende Konsum von Cannabis, Ecstasy und Amphetaminen unter Jugendlichen. Über neun Millionen Menschen haben Erfahrungen mit Cannabis, fast 400 000 konsumieren die Droge missbräuchlich oder abhängig. Von Medikamentenabhängigkeit, oft im Verborgenen, sind über 1,4 Millionen Menschen, vorwiegend Frauen, betroffen.
Mit Hartz IV, der Gesundheitsreform und den Neuregelungen für das Sozialhilfe- und Behindertenrecht sind negative Auswirkungen auf die Selbsthilfe zu erwarten. Sucht gilt als Vermittlungshemmnis für den Arbeitsmarkt.
Rot-Grün unternahm in den vergangenen Jahren einige Reformschritte. Durch den Drogen- und Suchtrat wird die Bewältigung der Suchtprobleme als eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe angegangen. CDU/CSU beharren weiterhin auf ihrer falschen und gescheiterten Politik der Repression und Kriminalisierung.
Im Dezember 2004 verabschiedete der Europäische Rat die „Drogenstrategie 2005 bis 2012“ der EU. Hauptfelder sind Angebots- und Nachfragereduzierung. Weil Drogensucht ein soziales Problem ist, fordert Die Linkspartei.PDS, Drogenkonsum zu entkriminalisieren. Notwendig sind Aufklärung, Information sowie konkrete Maßnahmen der Prävention und Hilfe. Cannabisprodukte sollen legal und an Personen über 16 Jahre frei verkäuflich sein. Abgabestellen und Beipackzettel sollen über mögliche Risiken zu informieren.
Wenn ein Entzug nicht erfolgreich ist und wirksame Mittel zur Entwöhnung fehlen, sollen harte Drogen unter ärztlicher Aufsicht abgegeben und Bedingungen für weichen Entzug geschaffen werden. Das rettet Menschenleben, bremst die gesundheitliche und soziale Verelendung Betroffener und reduziert Beschaffungskriminalität. Drogensüchtige brauchen mehr Therapieplätze und bessere medizinische und soziale Betreuung, die ihnen mit Ausbildungs-, Arbeitsplatz-, Wohnungsangeboten und unterstützenden sozialen Kontakten (z. B. betreute Wohnprojekte) Perspektiven bieten.
Für alle Drogen, darunter Alkohol, Tabak und andere Rauschmittel, wollen wir ein absolutes Werbeverbot. Die bisher übliche Desinformation über Rauschmittel muss durch öffentliche Informationskampagnen von Fachleuten und eine kontinuierliche Aufklärung besonders in den Schulen überwunden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Deuschle