Frage an Sibylle Schmidt von Guido L. bezüglich Recht

Lieber G. L.,

als ich vor einer Woche von den erneuten Provokationen Alexander Gaulands erfuhr, war ich bereit alles hinzuwerfen. Hatte ich ihn zuvor für einen klugen, spleenigen, missverstandenen Kopf gehalten, der seinen Faible für das viktorianische Zeitalter in Büchern auslebt, so ist doch eine vorbereitete Rede dieser Art an jenem Ort völlig inakzeptabel. Mein Onkel wurde mit 19 Jahren vom Telegrafenmast geschossen, meine Mutter lief über die zugefrorene Ostsee, meine weiblichen Verwandten entkamen haarscharf Vergewaltigungen, meine Großmutter versteckte ein jüdisches Kind und meinen 14 jährigen Vater vor dem letzten Aufgebot der Wehrmacht in Berlin. Später arbeitete mein Vater für den Bruder von Adam von Trott zu Solz, einem Gefährten Stauffenbergs. Ich habe mir von der Westerplatte bis zu den Räumen der Nürnberger Prozesse alle relevanten historischen Orte angesehen. Unsere Altvorderen wurden durch ein verbrecherisches, totalitäres System - aus welchem es kein Entrinnen gab - zu Mittätern und Opfern gemacht. Die Wehrmacht war nicht nur an Verbrechen beteiligt, sondern an einem Angriffskrieg und Kriegsverbrechen, bei dem sich einzelne ganz besonders hervorgetan haben. Einer der größten Völkermorde der Geschichte wird für immer - schon zur Abschreckung - weitererzählt werden. In einem Umfang und mit Bildern, die 16jährige verkraften können. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, sollte man dies unter Umständen in einem Altersruhesitz mit einem Therapeuten besprechen.

Herzlichen Dank für Ihre Frage

Sibylle Schmidt