Frage an Sibylle Schmidt von Anton W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schmidt,
da Sie sich um unser Direktmandat bewerben, erlauben Sie uns bitte vier Fragen. Wenn Sie wollen, dann freuen wir uns über vier kurze Antworten, die es uns erlauben, Ihre persönliche, poliitische Position zu verorten, jenseits des nachlesbaren Parteiprogramms.
1. Wie stehen Sie zur Forderung eines strikten Laizismus für unser Land?
2. Wie stehen Sie zur Forderung von Frau Ulla Schmidt, SPD, Personen, die unter Betreuung stehen, das Wahlrecht auf Bundesebene einzuräumen?
3. Wie beurteilen Sie persönlich die Annexion der Krim durch Russland?
4. Wie stehen Sie zu der im Raum stehenden Anregung, unser Land umzubenennen in "Absurdistan"?
Danke und freundliche Grüße
A. W. und sieben Friedrichshainer Freundinnen und Freunde
PS.
Den Zwang, hier ein "Betreff" aus einer sehr unvollkommenen Liste auswählen zu müssen, ist unangemessen. Wenigsten sollte dann noch ein "Sonstiges" (oder ähnlich) vorgesehen sein.
Entschuldigen Sie also bitte, wenn das ausgewählte "Betreff" nicht ganz zutreffend ist.
Lieber Anton & friends,
1) Der Laizismus ist in 16 Verfassungen verankert, die Trennung von Staat und Religionen wird aber auch in anderen Staaten unterschiedlich praktiziert. Als Christin bin ich befangen. Unsere Kultur, Architektur und Werte sind durch das Christentum geprägt. Wie soll man sie verstehen ohne entsprechenden Unterricht? Das Selbstvertrauen meines Ältesten, der bis zum 11. Schuljahr Religionsunterricht hatte, ist ein anders als das meiner jüngeren Kinder, deren examinierter Religionslehrerin plötzlich gekündigt wurde. Die SPD führte 2006 den Ethik Unterricht ein. Sechs Wochen angelernte Hilfskräfte brachten von da ab Schülern bei, was gut und böse sowie richtig und falsch ist. Kinder bezeichnen das Fach als „Mischmaschreligion“;-). Wer in die Schulbücher schaut, ist irritiert. Gerüchten zufolge soll Harvard eine siebenstellige Spende zurückgegeben haben für einen Ethik Lehrstuhl. Beispiel aus der Schulpraxis: Drei Politiker fahren in einem ICE, der zu verunglücken droht. Die Kinder können durch Umstellen einer Weiche entscheiden, ob drei Politiker oder fünf Schienenarbeiter überleben dürfen. Lösung: Die Politiker. Wer keine Entscheidung trifft, bekommt die Note 6. Es muss an allen Schulen möglich sein, einen Jahrgangs übergreifenden Religionsunterricht ab einer Gruppenstärke von 20 Schülern zu organisieren. Und zwar nach Bedarf - für alle Weltreligionen. Atheisten und Neugierige wählen Philosophie. Ein Religionen beschreibender und diskutierender Unterricht über zentrale und theoretische Lebensfragen, das Lesen weltberühmter Texte ist für Charakterbildung und Geist meines Erachtens unverzichtbar. Ein philosophischer Unterricht darf weder werten noch Handlungsanweisungen geben.
2) Wenn man ein Bezirksamt betritt, fallen sofort die Wegweiser zu den Vormundschaften auf. Die Vormundschaft für einen alten Menschen oder ein entnommenes Kind zu übernehmen, hat sich zu einem lukrativen Beschäftigungszweig entwickelt. Wer nun denkt, dass dort fleißig im Haushalt mitgeholfen wird, irrt. Es geht um die Verwaltung von Finanzen und Hoffnung auf Erbschaften. Im seltensten Falle wird die Vormundschaft einem Verwandten übertragen. In einer geradezu perfiden Projektion wird mit Gefühlen verbundenen Anverwandten Erbschleicherei von vorne herein unterstellt. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat bereits reagiert (Es war nicht alles schlecht), und auf der Website die Möglichkeit des Downloads einer Patientenverfügung eingerichtet. Wer 240 alte Menschen betreuen darf, ist vielleicht am Wochenende schlecht erreichbar, wenn eine Unterschrift zur lebensrettenden Operation eines komatösen alten Menschen benötigt wird. Ein Wahlrecht auf Bundesebene für unter Betreuung stehende Personen könnte dazu beitragen, diese unmenschliche Praxis zu verändern. Habe schon mehreren Kindern, Kranken und Alten geholfen, ihre Selbstbestimmungsrechte wiederzuerlangen. In Familiengerichten ist ein Arzt zugegen, weil unter Arbeitsbelastung entstehende Entscheidungen massive Ängste und Reaktionen auslösen.
3) Schottland, Katalonien, Krim. An vielen Orten der Erde scheinen sich Bevölkerungsgruppen von ihren Volksvertretungen übergangen zu fühlen. Ob eine Kleinstaaterei eine bessere Lösung ist als föderalistische Zugeständnisse? Die schöne und fruchtbare Krim stand schon unter römischer , gotischer , sarmatischer , byzantinischer , hunnischer , chasarischer , kyptschakischer , mongolisch-tatarischer, venezianischer , genuesischer und osmanischer Herrschaft und wurde schließlich Teil des Russischen Kaiserreichs . Russen, Ukrainer und Krimtataren stellen den Großteil der Bevölkerung. Die rasche Annexion ist trotz Referendum ein Akt der Gewalt. Konnte sie dazu beitragen, Kampfhandlungen zu beenden? Die 16 Jahre junge Ukraine fühlt sich durch die konsentierte Sezession getrennt. Ihre Regierung hat noch nicht ausreichend Erfahrung. Eine ukrainische Freundin hält die russische Landessprache für wirtschaftlich überlebensnotwendig. Bilinguale Schulbildung böte eine Lösung. Die Krim kann nicht isoliert betrachtet werden ohne die Terrorkriege in Nahost. Vielvölkerstaaten brauchen eine ausgewogene Mitbestimmung. Identität bedeutet, sich zu Hause zu fühlen wo man geboren wurde. Heimat ist dort, wo man seine Kohle verdient. Die Zuordnung eines Territoriums ist untrennbar verbunden mit der Zusammensetzung seiner Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund fragt man sich, warum in unserem Wahlkreis vier Türkeistämmige aufgestellt wurden.
4) Bundesrepublik Deutschland gefällt mir immer noch. „Schland“ heben wir uns für die WM auf und „Absurdistan“ erinnert an Borat. Die Politik der letzten beiden Jahre könnte vielleicht mit „Tanaland“ verglichen werden. Begriff unbedingt googeln.
Diskutieren wir die komplexen Fragen einmal gemeinsam in eurer Lieblingsbar?
Sibylle Schmidt