Frage an Sibylle Schmidt von Michael S. bezüglich Tourismus
Sehr geehrte Frau Schmidt,
wie stehen Sie zum wachsenden Tourismus gerade in Ihrem WK (Friedrichshain-Kreuzberg)? Sehen Sie hier eher Gefahren (Lärm, Wohnraum, "Ballermannisierung") oder auch Chancen (Jobs, Investitionen)?
Lieber M.,
Kreuzberg - jetzt mit Friedrichshain - ist der bekannteste Stadtteil Deutschlands. Besucher jeden Alters bestaunen kreative Stadtplanung, außergewöhnliche Geschäfte, Ausstellungen, Museen, Galerien, Kinos und Theater. Clubs und Konzerthallen bemühen sich um bekannte KünstlerInnen. Mit der Erfindung von Airbnb hatten die Kreuzberg-Friedrichshainer trotz Bankenkrise Cash auf Tasche. Es lohnte sich mal aufzuräumen und zu renovieren. Durch ebay-Kleinanzeigen gab es auch mehr Platz. Der Tourismus kam direkt an, konnte kochen und Kinder mitbringen und Kreuzberger erhielten die Chance den unwichtigen Rest der Welt kennenzulernen. Statt erheblicher Einnahmen werden nun 12 Mio € für die Kontrolle der „Mövenpicksteuer“ und 22 Mio € für die Kontrolle des Zweckentfremdungsgesetzes ausgegeben. Wir brauchen künstlich verknappte Eigentumswohnungen für Ministerialbeamte und preiswerte Mieten für linksrotgrüne Wähler von Erstgenannten, um Macht und Einnahmen zu sichern, bzw. mit dem Rad ins Paul-Löbe-Haus zu fahren. Von wegen. Wir brauchen den Ertrag unserer Arbeit, die wir seit den 80ern in unseren Bezirk gesteckt haben.
Einige Mieter haben statt Renovierungskosten eine Ablöse für den Auszug akzeptiert. So kam Bewegung in den Kiez. Viele Erbschaften sind hier angelegt. Bei Edeka im Bergmannkiez kann die klassische Erbengeneration gesichtet werden; inklusive der Verhaltensmutation, die ein sechsstelliger Kontostand verursacht. Nach einer Phase, in der Hausdealer vor jeder zweiten Bar saßen, bemüht sich nun die Oranienstraße um mehr Flair. Sehr geschmackvoll das neue Hotel Orania. Kottbusser Tor, Adalbertstraße und Warschauer Straße verkommen zusehends. Wir haben im Bezirk eine Gestaltungsverordnung, die immer dann nicht angewendet wird, wenn Gewerbetreibende aus Migrantien - wo auch immer das liegen mag - violett-orange-grüne Lichterketten um gelb-rot-blau zugeklebte Fensterscheiben nageln, damit die mit Leuchtstofflampen und Neonwerbung zugemeterten Klassizismusfassaden nicht mehr zur Geltung kommen. Kann das rückwirkend geändert werden? Es ist gut, wenn sich junge Menschen auf verantwortungsbewusste Posten bewerben und eine Einarbeitungszeit ist selbstverständlich. Es wäre für den Bezirk von Vorteil, im Eindruck der Flüchtlingsmassen getroffene Entscheidungen zu überdenken. Die dringend benötigte Gerhard-Hauptmann-Schule hätte für 5 Mio € Bewachungskosten renoviert und anwohnenden Kindern zur Verfügung gestellt werden können. Beim Dragoner-Arenal wird hoffentlich noch Platz sein für Gewerbe jenseits von Gastronomie, Psychologie und Betreuungsindustrie. Fanatische Grün-Fans werden um eine Bedenkzeit für ihre Volksvertreter gebeten. Wer derart mit Steuergeldern aast und sich im Abgeordnetenhaus gegen ein Burka-Verbot ausspricht, kann nicht die Nachfolgerin von Sankt Ströbele werden. Ich brauche deine Erststimme. Ich brauche eine Chance. Mein Großvater war Hausmeister in der Halle 09.
Generell ist es nicht in Ordnung, wenn sich prekäre Kreative im Bezirk bemühen, aber potentiellen Gästen vor der Tür Sixpacks verkauft werden. Im Club würden sie ein teureres Bier weniger trinken, was dem Lebensgefühl wenig Abbruch tut. Flaschen klirren oder klimpern, wenn deutsche Rentner sie einsammeln. Kultureinrichtungen oder Musikkneipen verdienen nicht die notwendige Marge für besseres Programm. Schluss mit Späties und 24 Stunden Geschäften. Wer am Samstag bis 24.00 Uhr nicht aufstehen kann, muss zur Tankstelle oder geschmackvollen Imbiss schlurfen. Clubs sollten nur noch zwischen 20.00 Uhr abends und 6.00 Uhr morgens öffnen, damit Arbeitnehmer und Familien nicht von philosophierenden Spätheimkehrern belästigt werden. Es ist auch besser für den Biorhythmus. Keine Rampe an den Clubs: Dicke Mädchen und blonde Deutsche sollten Einlass erhalten in bekannten Tanzdielen. Im Berghain fragt man sich, warum das Foyer kathedralenleer ist. Wie kann man in einer Schlange darum bitten, Geld ausgeben zu dürfen? Architektur und Akustik entschädigen für alles. Bester Club der Welt. Tische und Stühle in Outdoorbereichen sollten Sonntag bis Donnerstag bis 22.00 Uhr betrieben werden. Freitag und Sonnabend bis 24.00 Uhr. In tropischen Berlin Nächten, wenn das Thermometer auch nach Einbruch der Dunkelheit über 25 Grad anzeigt - und janz Berlin eene Wolke ist - müssen Gartenlokale open end betrieben werden können. Das gehört zur Lebensqualität dazu.
Lieben Gruß
Sibylle