Frage an Sibyll Klotz von Norman B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Dr. Klotz,
am 06.07.2005 hat sich das EU-Parlament mit überwältigender Mehrheit gegen die Einführung von Softwarepatenten ausgesprochen und selbige in letzter Instanz verhindert. Die Lobby der vorwiegend amerikanischen Softwareindustrie ist jedoch fortschreitend bestrebt, eine entsprechende Richtlinie in Europa durchzusetzen.
Insbesondere die Fraktion der Grünen hatte sich mehrfach und sehr deutlich gegen die geplante Richtlinie ausgesprochen, da eine direkte Gefährdung des deutschen Mittelstandes aufgrund von Klagewellen absehbar wäre.
Die Diskussion ist leider noch nicht vom Tisch und deshalb möchte ich gerne erfahren, welche Stellung Sie zu diesem Thema beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Norman Bruderhofer
Sehr geehrter Herr Bruderhofer,
Wir haben uns immer strikt gegen eine Patentierbarkeit von Software ausgesprochen. Wir sind der Auffassung, dass Software sich nicht in die gängigen Patentübereinkommen integrieren lässt.
Wir sind vielmehr überzeugt davon, dass Patente in diesem Fall vor allem Großunternehmen nützen und kleinen und mittleren Unternehmen schaden: Nur größere Firmen verfügen über eigene Patent- und Rechtsabteilungen, die entsprechende Recherchen und Anmeldungen effizient abwickeln können. Die zunehmende Patentierbarkeit von Software wird dazu führen, dass der Wettbewerb um Innovationen hinter juristische Auseinandersetzungen zurücktritt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden ebenfalls leiden, da Software womöglich teurer und in ihrer Vielfalt eingeschränkt sein wird.
Außerdem befürchten wir negative Auswirkungen für Open-Source- und Freie Software, da das Patentrecht nach Geheimhaltung bis zur Patentanmeldung verlangt. Ein offener Entwicklungsprozess funktioniert jedoch mit einer solchen Geheimhaltung nicht. Open Source-Entwickler können daher keine Patente erwerben und sind automatisch angreifbarer als große Firmen mit einem umfangreichen Patentportfolio.
Unsere Auffassung wird auch von einem im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums veröffentlichten Gutachten der Fachhochschule Gelsenkirchen zur "Wechselbeziehung zwischen Interoperabilität, Patentschutz und Wettbewerb" gestützt.
Jedoch ist bereits in den letzten Jahren die Patentierbarkeit von Software durch die Praxis der Patentämter und die Rechtsprechung immer weiter ausgedehnt worden. Wünschenswert ist von unserer Seite eine Änderung und Klarstellung der derzeitigen Rechtslage, um die schleichende Ausweitung der Patentierbarkeit zu verhindern.
Wir wollen unsere Softwareentwickler stärken, indem wir Bedingungen schaffen, die Innovation und Unternehmergeist fördern. Wir dürfen uns nicht zur Ausweitung des Patentrechts verleiten lassen und es ist sicherzustellen, dass die kreative Arbeit von Programmierern unter keinen Umständen als Patentverletzung irgendwelcher Art betrachtet wird. Software ist durch das Urheberrecht angemessen geschützt.
Seit dem 7. Juli ist die Erarbeitung der umstrittenen EU-Richtlinie "zur Patentierung computerimplementierter Erfindungen" gestoppt.
Das europäische Parlament hat sich mit einer absoluten Mehrheit der Stimmen in der 2. Lesung gegen den vorliegenden Entwurf entschieden. Damit ist der Richtlinienprozess vorerst beendet, es liegt nun an der Kommission, einen neuen Vorschlag zu unterbreiten. Möglicherweise kommt jetzt auch wieder Bewegung in die Initiative für ein EU-Gemeinschaftspatent.
Neben dem großen Engagement unserer Europafraktion, dem Einsatz zahlreicher NGOs und von Firmen aus dem Klein- und Mittelstand, ist sicherlich auch die parlamentarische Unterstützung aus Deutschland ein wichtiger Faktor beim Zurückweisen der Richtlinie gewesen.
Hierzu zählt insbesondere der gemeinsam mit unserem Koalitionspartner und den Oppositionsfraktionen verabschiedete interfraktionelle Antrag des Deutschen Bundestages. Dieser kritisiert den Standpunkt des EU-Rates scharf und fordert die Bundesregierung u.a. auf, dass Computerprogramme als solche, Geschäftsmethoden und Algorithmen nicht patentiert werden können und dass alternative Entwicklungskonzepte wie Open Source-Projekte nicht beeinträchtigt werden dürfen. Computerprogramme sollen auch zukünftig grundsätzlich allein urheberrechtlich geschützt werden. Dabei wollen wir die Zielrichtung der Beschlüsse des Europäischen Parlaments vom September 2003 und auch die Ergebnisse des beim Bundesjustizministeriums (BMJ) eingerichteten Runden Tisches in dieser Frage stärker berücksichtigt wissen.
Doch die Situation bleibt aufgrund der unterschiedlichen Rechtspraxis der europäischen Patentämter kompliziert. Insbesondere das Europäische Patentamt hat oftmals Ansprüche zugelassen, die das Patentierungsverbot von Software in Frage stellen. Eine Richtlinie, wie sie der Rat vorgeschlagen hat, hätte allerdings zu noch größerer Rechtsunsicherheit geführt. Deshalb sind wir sehr froh über die klare Abstimmung des EU-Parlamentes in der 2. Lesung.
Mit freundlichen Grüßen
Sibyll Klotz