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Sibyll Klotz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Till M. •

Frage an Sibyll Klotz von Till M. bezüglich Gesundheit

Hallo Frau Dr. Klotz!

Eine Frage, die mich interessiert, ist, wie sie zu der Legalisierung weicher Drogen, insbesondere Cannabis-Produkten stehen. Immer wieder wird von Seiten der Grünen behauptet, sie würden sich für die Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis einsetzen, doch nach Jahren Rot/Grün hat sich an der Situation nichts verändert.

Der Kiosk an der Ecke verkauft immer noch brav sein Bier und seinen Schnaps und die "asozialen, kriminellen Ausländer" in der Hasenheide verkaufen immer noch ihr Gras und Peace.

Gerade in einem Bezirk wie Berlin-Neukölln, der sozialer Brennpunkt ist, zieht eine der beliebtesten Ausflüchte der Legalisierungsgegner nicht. Diese Gegner behaupten immer wieder, dass es ja alles sein möge, was die Wissenschaftler behaupten und Cannabis weniger gefährlich als Alkohol sei - es passe als Droge aber schlichtweg nicht in unseren Kulturkreis.

Dass man von so etwas, wie einem "deutschen Kulturraum" in Neukölln wohl kaum sprechen kann, dürfte eigentlich klar sein! Wie kann es sein, dass gerade in diesem Bereich die absurde Vorstellung einer "deutschen Leitkultur" überlebt hat?

Was läuft da schief? Und wie lange wollen sie als Grüne diesen Eiertanz, Polizisten - die weiß Gott besseres zu tun haben in Neukölln - auf Kiffer zu hetzen, noch dulden?

Von ihnen als studierte Philosophin - bin selber auf dem besten Weg ihnen in dieser Hinsicht zu folgen, Grundstudium ist fast abgeschlossen - verspreche ich mir da etwas mehr Aufgeschlossenheit, als das seitens anderer Parteien der Fall ist.

Antworten sie, und meine Stimme ist ihnen sicher - egal, wie die Antwort ausfällt. Sonst wähle ich vielleicht aus reiner Frustration darüber, dass "meine" Partei mir in dieser Frage nicht entgegenkommt, die APPD. Denen ist onehin alles egal...

Mit freundlichem Gruß,

Till Möller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Herr Möller,

also dass Cannabis als Droge schlicht nicht in unseren Kulturkreis gehört, das habe ich als Gegenargument noch nicht gehört!! Oft höre ich allerdings, dass weiche Drogen den Einstieg in eine Drogenkarriere bilden und deshalb mit anderen Drogen nicht gleichbehandelt werden. Die Grünen und ich teilen diese Auffassung nicht. Gestatten Sie mir, dass ich bei der folgenden Antwort auf eine ähnliche Frage (und Antwort) zurückgreife, die mir bei kandidatenwatch.de unlängst gestellt wurde.

Einen legalen Zugang zu Cannabis zu schaffen, ist nach wie vor unser politische Ziel. Dabei lassen wir uns leiten vom Prinzip, das für alle Formen des Drogenkonsums gilt: Aufklärung und Prävention sowie Therapie und Hilfe statt Strafe. Da wir Grünen von einer absoluten Mehrheit noch immer weit entfernt sind und sein werden, konnte die Umsetzung des politischen Programms nur innerhalb von Rot/Grün erfolgen. Dabei haben wir durchaus Erfolge zu verbuchen, aber eben nur bei den legalen Drogen Alkohol und Tabak. Bei den harten Drogen ist uns ein Paradigmenwechsel gelungen, der den eindeutigen Focus auf Therapie und Hilfe legt. Damit verbunden sind z.B. verbesserte Regelungen der Substitution und die generelle Kostenerstattung durch Krankenkassen (aktuelle Wahlperiode) oder das laufende "Heroinprojekt".

Keinen Erfolg hatten wir im Bereich Cannabis. In dieser Frage hat sich der Koalitionspartner SPD leider keinen Schritt bewegt. Unsere Position lautet nach wie vor: Statt Cannabis zu dämonisieren und bei Alkohol und Tabak die Augen vor den Auswirkungen zu verschließen, fordern wir eine Suchtpolitik, die die Gefährdungen von Alkohol, Tabak und Cannabis insbesondere bei sehr jungen KonsumentInnen ernst nimmt. Die Politik der Kriminalisierung ist gescheitert. Trotz Strafverfolgung konsumieren immer mehr und immer jüngere Menschen Cannabis und Haschisch. Wir erreichen weit mehr durch Prävention, Aufklärung und - wo notwendig - Therapie. Zudem erschwert die Kriminalisierung die Aufklärungsarbeit: Wer über Cannabiskonsum offen spricht, gerät schnell in den Verdacht, für den Konsum zu werben.
Konkretes Ziel der laufenden Legislaturperiode war, die Bundesverfassungsgerichtsurteile (geringe Menge und Fahrerlaubnisverordnung) endlich auch in Gesetze zu gießen, was uns nicht gelungen ist. Dass unsere Position zu Cannabis nicht nur leere Worte waren, ist unter anderem daran zu seehn, dass zu wichtigen Fragen (Führerschein, Mengenbesitz) Gutachten vorliegen, die aber von den zuständigen Ministerien (die leider nicht grün "geführt" waren) nicht umgesetzt wurden.

Dennoch haben wir in den Ländern eine Menge getan und belassen es nicht nur bei der Benennung von bundespolitischen Zielen (wie die PDS, neu: Linkspartei). Wir haben in Berlin Druck auf den Berliner Senat gemacht, die Spielräume auf Landesebene zu nutzen. Aber von einem Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis wollten SPD und Linkspartei nichts wissen. Übrigens auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo die PDS mitregiert, hat sich in Sachen fortschrittlicher Drogenpolitik nichts getan. Im Land Berlin wurden auf unseren Antrag die Strafverfolgungsgrenzen wegen Cannabisbesitz heraufgesetzt. Leider erst ein Jahr nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses und nicht in dem von uns geforderten Umfang, aber immerhin: Bei bis zu 10 g Cannabisbesitz zum Eigenverbrauch werden Verfahren eingestellt, unter bestimmten Umständen auch bis 15 g. (Wir hatten 30 g
gefordert).

Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, dass eine ideologisierte und unlogische Politik, durch Vernunft ersetzt werden. Wir arbeiten daran. Je stärker wir Grünen sind, um so schneller geht es!!! Wie wäre es denn, wenn die zwei Drittel der Bevölkerung, die für die Legalisierung weicher Drogen sind, uns dafür auch wählen???!!!! Aber ich freue mich natürlich auch schon mal über Ihre Stimme!

Viele Grüße Sibyll Klotz