Frage an Sibyll Klotz von Kai J. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Wie wollen Sie als Grüne die neoliberale Politik stoppen, wo die Grünen das doch 7 Jahre größtenteils mitgetragen haben. Die Reichen werden so immer reicher und die Armen immer ärmer, das sieht man doch vor allem hier in Neukölln! Ansonsten fand ich den Atomausstieg, die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben sowie die ökologische Wende ganz gut, das muß auch mal gesagt werden.
Hallo Herr Jensen,
kein Zweifel daran, dass in der rot/grünen Bundespolitik der vergangenen Jahre manches nicht so gelaufen ist, wie ich / wie die Grünen sich das vorgestellt haben. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass wesentliche Elemente der Finanz- und Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre Kompromisse zwischen allen im Bundestag vertretenen Parteien darstellen - und insofern schon mal einen Vorgeschmack auf eine große Koalition, wie sie ja offenbar Teile der SPD dringend wollen. Das war z.B. bei der Absenkung des Spitzensteuersatzes als auch bei der konkreten Ausgestaltung von Hartz IV so. Die verschärften Zumutbarkeitsregeln als auch die geringen Zuverdienstmöglichkeiten haben wir der CDU zu verdanken. Übrigens genauso wie die Praxisgebühr. Und wenn CDU und FDP ab September regieren sollten, dann geht es erst richtig zur Sache: Kopfpauschale im Gesundheitswesen, die Abschaffung der aktiven Arbeitsmarktpolitik (bzw. der ganzen Bundesagentur, wie die FDP das will) usw.
Rot/Grün im Bund hat aber auch Leistungen erhöht. Warum spricht darüber eigentlich niemand??? Der Eingangssteuersatz wurde auf 15% abgesenkt. Darüberhinaus wurde das Kindergeld um mehr als ein Drittel auf insgesamt heute 154 Euro angehoben. Ganztagsschulen werden finanziert. Durch die BaFög-Reform gibt es mehr Studierende. Nur durch die Ökosteuer konnte die Rentenhöhe beibehalten werden. Im Sektor erneuerbare Energien arbeiten mittlerweile 140.000 Menschen. - Um nur einige Punkte zu nennen!!
Dennoch, und da haben sie mit ihrer Kritik recht, ist es nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit zu senken und dafür zu sorgen, dass es in Deutschland weniger Armut gibt. Und beide Punkte sind in Neukölln natürlich noch einmal viel stärker zu spüren als anderswo. Was habe ich /was haben die Grünen für Vorstellungen? Im Telegrammstil würde ich das so umschreiben:
Mehr Geld für die Bildung mobilisieren - durch die Streichung von Subventionen (z.B. Eigenheimzulage)
Die Lasten gerechter verteilen - durch eine gerechtere Steuerpolitik (Anhebung des Spitzensteuersatzes und Schließung von Schlupflöchern)
Korrektur von Hartz IV - durch einheitlichen höheren Regelsatz Ost/West, höhere Partnereinkommen und großzügigere Regelungen bei der Altersvorsorge
Arbeit preiswerter machen - durch Bezuschussung von Sozialabgaben im unteren Einkommensbereich
Arbeitslose integrieren und fördern - durch eine nachhaltige aktive Arbeitsmarktpolitik und Bildungsangebote statt massenhaft Ein-Euro-Jobs
Energiewende und ökologische Modernisierung fortsetzen.
Gerade für Berlin und insbesondere Neukölln halte ich eine Bildungsoffensive für unabdingbar. Immerhin verfügen in unserer Stadt 40% aller Langzeitarbeitslosen über keinen abgeschlossenen Berufsabschluss und oft auch mangelnde Sprachkenntnisse. Deshalb plädieren wir Grünen in Berlin ja auch dafür, die 640 Millionen Euro, die der Bund im Zuge von Hartz IV für Eingliederungsmaßnahmen bereit gestellt hat, stärker für Bildungsangebote einzusetzen. Für die praktische Umsetzung sind aber die Zuständigen vor Ort verantwortlich. Und dazu gehören auch die PolitikerInnen der PDS. Und die haben im Senat die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik um mehr als drei Viertel reduziert.
Ich hoffe, Sie haben einen Einblick in unsere Vorstellungen gewonnen. Mehr davon gibt`s im Wahlprogramm.
Viele Grüße Sibyll Klotz