Frage an Sibyll Klotz von Philipp K. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)
Sehr geehrte Frau Klotz,
vor kurzem las ich, dass Sie in den 80ern einige Jahre lang Mitglied der SED waren.
In meinem Alter von 21 Jahren, als zugezogener Berliner aus dem Westen, der die DDR nur aus dem Geschichteunterricht und den heutigen Relikten kennt, ist es sehr schwer zu beurteilen, was sich hinter dieser Information verbirgt.
Natürlich ist mir bewusst, dass die Parteimitgliedschaft nicht automatisch mit der Unterstützung der offiziellen Politik der DDR einhergehen muss. Gerade darum bin ich neugierig zu wissen, wie Sie zu dieser Zeit in der SED tätig waren (bzw. ob überhaupt) und wie Sie sich zum Regime positioniert haben.
Vor allem ist es für Ihre jetzige Kandidatur vielleicht von Bedeutung, ob Sie aus dieser Zeit besondere Qualifikationen, Erfahrungen oder Wissen mitbringen, die Sie bei Ihrer Arbeit im Bundestag behindern oder Ihnen nützen könnten.
Welche Gründe haben Sie letztendlich dazu bewogen, nicht etwa im Anschluss bei der PDS mitzuwirken, sondern stattdessen die Grünen zu unterstützen?
Sicher ist es am wichtigsten, im Hinblick auf die Wahl mehr auf Gegenwart und Zukunft zu schauen. Aber ich möchte mir diese Frage zur Vergangenheit trotzdem erlauben, da sie schließlich Teil Ihrer Person ist, als die Sie ich zur Wahl stellen.
Freundliche Grüße
Philipp Krämer
Friedrichshain
Hallo Herr Krämer,
das ist sicherlich in wenigen Zeilen schwer zu erklären. Ich will es dennoch versuchen, denn es ist ein Teil meiner Biographie, auf den ich nicht stolz bin, den ich aber auch nicht verschweigen will.
Die erste Rolle spielt natürlich das Elternhaus, und da ist besonders mein Vater zu nennen, der als Kommunist gegen die Nazis gekämpft hat, im KZ Sachsenhausen inhaftiert war und nach 1945 für den Aufbau der DDR gearbeitet hat.
Ich war zum zweiten lange davon überzeugt, dass dieses System gegenüber dem Kapitalismus das bessere ist bei allen Mängeln - von mangelnder Informationsfreiheit bis hin zu dieser speziellen Art von Bürokratie oder auch dem Nationalismus, die ja auch zur DDR gehört haben. Und dass die DDR durch Reformen von innen zu verändern ist. Ab 1985 hatte ich, hatten wir Hoffnungen auf Glasnost und Perestroika und sagten zum ersten mal aus vollem Herzen: Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen. Das fanden die Staatsoberen aber nun gar nicht komisch, verboten weiter sowjetische Filme und Theaterstücke. Ich war 1984 in die SED eingetreten (hatte an der Humboldt-Uni Philosophie studiert) und begann mich später im Rahmen meiner Dissertation (August Bebel und die Frauenfrage) mit feministischen Positionen zu beschäftigen. Was sehr schnell dazu führte, dass ich mich mit dieser Literatur auch identifizierte und Positionen bezog, die davon ausgingen, dass auch die DDR ein patriarchal organisierter Staat ist. Und damit war ich nicht allein. Unvergessen eine noch 1989 in einer privaten Wohnung gefeierte Walpurgisnacht, die mit der Erkenntnis endete, dass wir viele sind. Das hat mich dazu gebracht, einem Aufruf in eine Berliner Kirche zu folgen, woraus dann später der Unabhängige Frauenverband hervorging, für den ich später auf einem Platz der Alternativen Liste kandidierte. So weit in aller Kürze mein Weg. Sie können mir glauben, dass ich nun wahrlich kein Fan des Politbüros war und durchaus eine kritische Haltung gegenüber den Machtverhältnissen hatte. Dennoch trage ich, tragen alle 2,3 Millionen Mitglieder der SED und auch der Blockparteien eine Verantwortung auch für die Verbrechen dieses Staates. Das zu akzeptieren, dazu habe ich eine Weile gebraucht. Ausgetreten bin ich erst im Herbst 1989 und zwar, als die SED sich nicht auflöste, sondern sich einen neuen Namen gab (wie jetzt wieder) und Vermögen und Strukturen in die neue Zeit gerettet hat. Vielleicht richten sich bei mir deshalb besonders die Nackenhaare auf, wenn ich sehe, wie ehemalige Funktionäre schon wieder mit diesem autoritären Ton, an den ich mich noch gut erinnere, versuchen Leute einzuschüchtern. Dass ich bei den Grünen gelandet bin, ist kein Zufall, sondern folgerichtig. Mit ihren Positionen zur Frauenfrage, zu Bürgerrechten und zur Ökologie sind sie die einzig ernstzunehmende Alternative - auch und gerade zur PDS/Linkspartei. Ob mir dieses Wissen, diese Erfahrungen nützen können im Deutschen Bundestag?? Entscheiden Sie selbst!
Viele Grüße Sibyll Klotz