Frage an Serkan Tören von Maximilian W. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Tören,
wie vereinbaren Sie Ihr Engagement für die formale Legalisierung der Beschneidung männlicher Minderjähriger, ein Eingriff der massivst in die Freiheiten einer anderen Person eingreift, mit Ihrer liberalen Gesinnung?
Mit freundliche Grüßen
Maximilian Wenningmeyer
Sehr geehrter Herr Wenningmeyer,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Das von Ihnen kritisierte Gesetz hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP sowie von Abgeordneten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei verabschiedet. Es stellt sicher, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist. Die Beschneidung von Knaben bleibt damit in Deutschland - wie in allen anderen Staaten der Welt - weiterhin zulässig.
Die FDP-Fraktion hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, das versichere ich Ihnen. Dass die Beschneidung eine Körperverletzung ist, ist unstreitig, da bereits das Stechen von Ohrlöchern eine Körperverletzung darstellt. Die Frage ist vielmehr, ob dieser körperliche Eingriff zulässig ist oder nicht. In der Frage der Zulässigkeit von Knabenbeschneidungen müssen sorgfältig das Kindeswohl, das Erziehungsrecht der Eltern und auch die Religionsfreiheit abgewogen werden. Die FDP-Fraktion ist zu der Auffassung gekommen, dass die Beschneidung männlicher Kinder keinen nachhaltig schädlichen und auch keinen sittenwidrigen Eingriff darstellt.
Viele Kritiker der Beschneidung bezeichnen diese als einen archaischen Ritus von Juden und Muslimen. Sie übersehen dabei, dass die Beschneidung von Jungen nicht nur in islamischen Ländern und Israel praktiziert wird und anerkannt ist. Auch in den USA, Australien, Südkorea und im südlichen Afrika ist die Beschneidung weit verbreitet. In diesen Ländern werden sie in der Regel nicht aus religiösen, sondern aus hygienischen, gesundheitlichen und ästhetischen Gründen vorgenommen. Darüber hinaus verbietet kein Land der Welt die Knabenbeschneidung. Diese Form der Beschneidung ist daher in der modernen Welt weit verbreiteter und anerkannter als zu archaischen Zeiten.
Trotz der Aufgeregtheit in der Debatte auf allen Seiten sollten wir uns immer darauf besinnen, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss. Die Vorteile und Nachteile der Knabenbeschneidung müssen sorgfältig abgewogen werden. Dabei müssen die kurze, die mittlere und die lange Frist berücksichtigt werden. Diese Abwägung ist im Grundsätzlichen nicht leicht zu treffen. Deutlich einfacher wird dies im Einzelfall jedes Jungen, über den seine Eltern deutlich besser Bescheid wissen als der Staat. Wie in anderen Erziehungsfragen auch, mahnen wir Liberale die Zurückhaltung des Staates an. Das Primat der Erziehung liegt in unserem freiheitlichen Staat bei den Eltern. Erst wenn diese gegen das Kindeswohl verstoßen, kann und muss der Staat eingreifen. Da Knabenbeschneidung jedoch in allen freiheitlichen Staaten anerkannt ist und gesundheitliche Vorteile bringen kann, widerspricht sie dem Kindeswohl nicht.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu habe.
Mit freundlichen Grüßen
Serkan Tören