Frage an Serkan Tören von Christa W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Tören,
heute wende ich mich an Sie-Mitglied im Innenausschuss und aus Niedersachsen
Zum Beschäftigtendatenschutz:
Ist es aus Ihrer Sicht richtig,
dass z.B. durch § 32d Abs. 3 Arbeitgebern eine "Lizenz zur Kontrolle" erteilt würde, wenn künftig anlasslose Screenings von E-Mails und Internetzugriffen durchgeführt werden können, um zu prüfen, ob es Straftaten aus dem Bereich der Untreue,Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit gegeben hat?
Damit würden Maßnahmen legalisiert,die in der Vergangenheit als Datenschutzskandale galten (z. B.bei der Bahn, Lidl)!!
Das neue „Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes“ – eine Mogelpackung!
„ Der Entwurf des Beschäftigtendatenschutzgesetzes beinhaltet eine Fülle weiterer Regelungen, durch die die Erhebungs-, Verarbeitungs- und Nutzungsbefugnisse von Arbeitgebern auf Kosten der Beschäftigten massiv ausgeweitet werden.
Im Ergebnis verschlechtert er die datenschutzrechtliche Situation von Beschäftigten grundlegend und erheblich.
Insgesamt bleibt es bei der Feststellung, dass das Gesetz die Befugnisse von Arbeitgebern zur Datenerhebung, Datenverarbeitung und Datennutzung auf Kosten der Beschäftigten massiv ausweitet.“
Der Gesetzentwurf verdient den Namen „Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes“ nicht . Der Schutz der Beschäftigtendaten tritt in diesem Entwurf hinter bisherige Regelungen zurück. Erhebungs-, Verarbeitungs- und damit Kontrollrechte der Arbeitgeber werden dann erheblich ausgeweitet. Richtiger wäre wohl der Name „Beschäftigtenausforschungserlaubnis-gesetz“.
Dieser Meinung des Direktors und Leiters der Europäischen Akademie der Arbeit der Universität Frankfurt am Main,Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft
Herrn Prof. Dr. Peter Wedde schließe ich mich an und bitte Sie, diesem Gesetz nicht zuzustimmen.
Welche Rechte von Beschäftigten werden nach Ihrer Meinung durch diesen Entwurf geschützt?
Warum dieser Schnellschuss?
Mit freundlichen Grüßen
Christa Wiese
Sehr geehrter Herr Wiese,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie gibt mir die Möglichkeit, auf einige Verzerrungen in der öffentlichen Darstellung des Gesetzentwurfs einzugehen.
Der Schutz der Beschäftigtendaten tritt durch den Gesetzentwurf keinesfalls hinter die bisherigen Regelungen zurück. Das Gesetz schafft keinerlei neue Möglichkeiten der Datenerhebung oder -verarbeitung. Das Gesetz grenzt Erhebung und Verarbeitung von Beschäftigtendaten vielmehr ein und stellt sie auf klare Rechtsgrundlagen. Dies ist notwendig, da in jedem Arbeitsverhältnis personenbezogene Daten anfallen. Das Gesetz stellt nun klar, welche Daten erhoben werden dürfen und wie mit diesen Daten umgegangen werden darf.
Die Rechte der Beschäftigten stärken wir mit dem Gesetz vor allem in vier Bereichen. Dabei muss beachtet werden, dass das Gesetz Mindeststandards setzt, von denen nicht nach unten abgewichen werden darf – auch nicht durch Betriebsvereinbarungen. Die vier Bereiche, die ich hervorheben möchte, sind die folgenden:
1. ) Heimliche Videoüberwachung wird zum ersten Mal komplett untersagt. Anders als in einigen Darstellungen wird die offene Videoüberwachung nicht ausgeweitet, sondern an klare Bedingungen geknüpft und eingeschränkt. So dürfen die Daten aus der Videoüberwachung nicht zur allgemeinen Verhaltens- und Leistungskontrolle genutzt werden.
2.) Andere Formen der heimlichen Überwachung dürfen nur nach strengen Vorgaben eingesetzt werden. Notwendig dafür ist ein konkreter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung. Keine heimliche Maßnahme darf länger als 24 Stunden am Stück oder an mehr als vier aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt werden.
3.) Das Fragerecht des Arbeitgebers gegenüber Bewerbern wird sachgerecht eingeschränkt. Durch Verweisung auf das geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verweist der Gesetzentwurf auf einen engen Rechtsrahmen für die Arbeitgeber. Das Fragerecht wird indes nicht abgeschafft, da bspw. im Bewachungsgewerbe mögliche Vorstrafen des Bewerbers im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit eine wichtige Rolle bei der Einstellung spielen können müssen.
4.) Screening ist künftig nicht mehr anlasslos möglich. Um Korruptions- oder andere Strafdelikte aufzudecken, kann im Verdachtsfall ein automatisierter Abgleich der Mitarbeiterdaten erfolgen. Die Daten müssen dabei jedoch anonymisiert erhoben werden. Der Personenbezug darf nur im Trefferfall hergestellt werden.
All diese Neuerungen konkretisieren den Beschäftigtendatenschutz in Deutschland und setzen den Arbeitgebern klare Grenzen. Weder die rot-grüne noch die schwarz-rote Vorgängerregierung haben in diesem Bereich vorher für einen stärkeren Schutz der Arbeitnehmer gesorgt.
Der Vorwurf, das Gesetz sei ein „Schnellschuss“, wird zwar nicht selten geäußert, dadurch wird diese Behauptung aber nicht richtiger. Richtig ist, dass der Regierungsentwurf des Gesetzes bereits im Sommer 2010 verabschiedet worden ist. Anfang 2011 fand die erste Lesung im Bundestag statt. Im Mai 2011 hat der Innenausschuss eine öffentliche Anhörung zum Entwurf durchgeführt. Die Koalitionsfraktionen haben zahlreiche Gespräche mit der Opposition, den Gewerkschaften und vielen anderen geführt. Jeder hatte eine Zeit Gelegenheit, die eigenen Positionen einzubringen.
Ich hoffe, ich habe mit meinen Ausführungen etwas mehr Klarheit in die Diskussion zum Beschäftigtendatenschutz einbringen können und Ihnen damit geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Serkan Tören