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Sebastian Striegel
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Frage von Daniela K. •

Frage an Sebastian Striegel von Daniela K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Striegel

Die so genannte Visaaffäre um den Außenminister Fischer hat mich sehr schockiert. Hunderttausende ukrainische Menschen sind so in unser Land gekommen und haben die deutschen Steuerzahler ein Vermögen gekostet, von den durch die Prostitutionsmafia mißbrauchten Mädchen ganz zu schweigen. Meines erachtens sollten Politiker wie Fischer für solche gravierenden Fehler persönlich haftbar gemacht werden, denn es wurden finanzielle Mittel aller Steuerzahler mißbraucht. Von Fischer und der gesamten Grünen-Partei kam keinerlei Eingeständnis oder eine Entschuldigung für diese ungeheuerlichen Ereignisse. Herr Fischer in seiner Funktion als so genannter deutscher Außenminister sollte doch auch eine Art Vorbildfunktion besitzen, die er natürlich jetzt verwirkt haben sollte. Ich finde es für unser Land nicht gerade förderlich, einen solchen Außenminister zu haben, der bereits in früheren Jahren zudem noch negativ bei Übergriffen auf Polizeibeamte aufgefallen ist. Die Grünen sind nicht mehr das, was sie einmal waren !
Wie stehen Sie zu den korrupten Machenschaften in Bezug der Visa-Affäre und meinen vorgenannten Ausführungen über die Person Joschka Fischer. ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Karl,

mit Ihrer Frage vom 29. August sprechen Sie für unser Land wichtige Themen an: Es geht um (humanitäre Aspekte von) Migration, deren Steuerung und nicht zuletzt auch um die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der hier lebenden Menschen.

Die Vorwürfe der Union stehen im Raum: So sprach Hans-Peter Uhl (CSU) in einer Rede vor dem deutschen Bundestag am 24. März 2004: "Es geht um Migrationsströme von einem Ausmaß, die alle Völkerwanderungen, die wir in der Schule kennen gelernt haben, weit in den Schatten stellen. Jetzt kommt die eigentliche Frage an Sie: Wie gehen Sie angesichts dieser Zahlen, dieser Probleme, dieses Massenandrangs an illegalen Schleuseraktivitäten und des Zustroms von Schwarzarbeitern mit der Vision des ehemaligen Staatsministers im Auswärtigen Amt um, dass Sie quasi einen roten Teppich ausrollen und eine Dienstleistung erbringen, nämlich massenhaft Visa erteilen sollen, damit dieser Strom munter nach Westeuropa weitersprudelt?" Un am 24. November des gleichen Jahres behauptete er: "In Wahrheit kommt 1 Million nach Deutschland. Die Mehrzahl von ihnen – Herr Volmer, das wissen Sie genauso gut wie ich – sind bestenfalls Schwarzarbeiter und viele sind Kriminelle"

Ganz abgesehen davon, dass Herr Uhl mit seinen Pauschalverdächtigungen die Angehörigen eines ganzen Volkes kriminalisiert, liegt er hier auch sachlich falsch.

Die spannenden Fragen in der so genannten Visaaffäre sind: Hat der Volmererlass die größte Völkerwanderung der Menschheitsgeschichte ausgelöst? Ist Deutschland dabei von einer Kriminalitätswelle überrollt worden? Und ist Ludger Volmer ein einwanderungspolitischer Triebtäter und ein Mittäter, der auf die Anklagebank gehört? (so Uhl in einer Rede vor dem deutschen Bundestag ebenfalls am 24. November 2004). Und hat die Bundesregierung durch die Visavergabepraxis wirklich Beihilfe zu den größten Menschenrechtsverletzungen seit 1945 geleistet (so sinngem. Rüttgers, zitiert nach: Süddeutschen Zeitung vom 1. März 2005)?

Die Antwort auf diese Fragen ist eindeutig: Nichts von den Anschuldigungen der Union ist richtig!

Zwar gab es Fehler im Auswärtigen Amt und auch die deutsche Botschaft in Kiew hat insbesondere in den Jahren von 2000 bis 2002 ungewöhnlich viele Visa ausgegeben. Aber der von der Union und auch Ihnen behauptete Schaden ist nicht eingetreten:

Kriminalität: Die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (BKA) verzeichnet für die Jahre seit 2000 keinen Anstieg der Kriminalität von ukrainischen Staatsangehörigen.

Schwarzarbeit: Experten unterstreichen, dass Schwarzarbeit in erster Linie ein Problem der in Deutschland dauerhaft lebenden Personen ist. Durch die konsequente Bekämpfung der Schwarzarbeit ist im Jahr 2004 erstmals seit Jahren wieder die Zahl der Schwarzarbeiter gesunken. So hat Prof. Schneider vom Institut für angewandte Wirtschaftsforschung unterstrichen, dass die Schattenwirtschaft ein primär deutsches Problem sei. 12 bis 15 Millionen Deutsche würden nach seiner Schätzung nebenher schwarzarbeiten, dazu maximal 400.000 Ausländer, von denen vielleicht 100.000 aus den ehemaligen GUS-Staaten kommen würden. (Quelle: Monitor, Sendung vom 14.2.2005, http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bidf3&sid5)

Richtig ist aber, dass insbesondere nach Portugal, aber auch nach Spanien und Italien seit den späten neunziger Jahren viele Menschen aus den GUS-Staaten gewandert sind, um dort zu arbeiten. Portugal hat bis 2001 den Aufenthaltsstatus von ca. 170.000 Menschen legalisiert. (Quelle: Europarat, Anmerkung der portugiesischen Regierung zu der Resolution der parlamentarischen Versammlung des Europarates (Empfehlung 1587 (2002)) vom 27. 9.2003)

Zwangsprostitution: Nichtregierungsorganisationen, die Opfer von Zwangsprostitution betreuen, haben in einem offenen Brief an den Untersuchungsausschuss mitgeteilt, dass sie in den letzten Jahren keinen Anstieg von ukrainischen Opfern der Zwangsprostitution verzeichnet haben (Offener Brief von KOK (Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen im Migrationsprozess), einem Zusammenschluss von ca. 40 Beratungsstellen, an Joschka Fischer vom 21.2.2005). Auch das Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht hat in einer Studie festgestellt, dass von einer Zunahme von Menschenhandel aus der Ukraine nach Deutschland keine Rede seien könne: seit dem Jahr 1999 nehme der Anteil der ukrainischen Opfer sogar ab. Die zu Recht bemängelten Missstände in der Visabearbeitung und -erteilung an der Kiewer Botschaft sind lange, d.h. mindestens seit 2003, abgestellt. Auch ist der von Ihnen behauptete Schaden nicht entstanden. Für eine persönliche Haftung durch Joschka Fischer besteht deshalb aus meiner Sicht kein Anlass.

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Joschka Fischer einen der fähigsten Außenminister ihrer Geschichte. Fischer hat maßgeblichem Anteil an den Friedensbemühungen im Nahen Osten, er hat Deutschland vor einem Hineinschlittern in ein militärisches Abenteuer an der Seite der Amerikaner im Irak bewahrt und er hat - nicht zuletzt - maßgeblichen Anteil daran, dass sich die Zivilmacht Deutschland ihrer internationalen Verantwortung bewusst geworden ist und in zahlreichen Ländern friedenserhaltende und friedenschaffende Militäraktionen unternommen hat. Was die Angriffe von Joschka Fischer auf Polizisten aus seiner Jugendzeit anbelangt, so hat er sich bereits vor einigen Jahren für diese entschuldigt. Joschka Fischer hat über die Jahre bewiesen, dass er zur Veränderung fähig ist, dass er in der Lage ist, sich neue Ansichten zu eigen zu machen. Rechnen wir es ihm doch hoch an, dass er Fehler aus seiner Jugendzeit einsieht und heute völlig anders handelt. Ich würde mir mehr Menschen wünschen, die in der Lage sind, ihre Fehler zu erkennen und aus dieser Einsicht heraus anders handeln.

Sehr geehrte Frau Karl,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich verbleibe mit freundlichen
Grüßen

Sebastian Striegel

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