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Sebastian Schlüsselburg
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Frage von Falk M. •

Frage an Sebastian Schlüsselburg von Falk M. bezüglich Soziale Sicherung

Ein wichtiges Thema gerade in Lichtenberg und anderen Bezirken in unmittelbarer Zentrumsnähe scheint mir Wohnraumverfügbarkeit und die Mietpreisentwicklung zu sein. Kann man und sollte man etwas gegen die sog. "Gentrifizierung" tun und ggf. was? Persönlich geht mir der Protest hiergegen vielfach zu weit und ich finde, dass gerade die linke Szene sich hier in Ausgrenzung, Rassismus und Schubladendenken übt.

LG
FMH

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Mäde-Heck,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Mietpreisentwicklung/Gentrifizierung. Erlauben Sie mir zunächst auf den ersten Teil Ihrer Frage, die preiswerte Wohnraumverfügbarkeit, einzugehen.

Der Berliner Wohnungsmarkt befindet sich derzeit in einer Entwicklung, in der einkommensschwächere Schichten kaum noch bezahlbaren Wohnraum in den Innenstadtquartieren finden. Sie werden zunehmend in die sog. Außenbezirke verdrängt. Die soziale Mischung aus jung/alt sowie arm/reich geht damit in vielen Wohnquartieren verloren. Dabei handelt es sich auch nicht länger nur um ein gefühltes Phänomen. Inzwischen haben wir verschiedene belastbare Faktoren, die diese Wanderungsbewegung belegen. Ein Beispiel dafür ist die Statistik über den Wechsel von Transferleistungsempfängerakten von einem Bezirk in den anderen. Darüber berichtete kürzlich z.B. die Berliner Morgenpost: http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article1696195/Hartz-IV-Empfaenger-verlassen-die-begehrten-City-Lagen.html

DIE LINKE tritt dafür ein, die soziale Bevölkerungsmischung in den Wohnquartieren zu erhalten und der zunehmenden sozialräumlichen Spaltung der Stadt entgegenzuwirken. Um auf die divergierenden sozialräumlichen Entwicklungen politisch Einfluss nehmen und Verdrängungsprozesse verhindern zu können, bedarf es eines Mixes aus wohnungs-, sozialpolitischen und städtebaurechtlichen Instrumenten auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Grundsätzliche Reformen des Mietrechtes sind nur durch gesetzliche Änderungen auf Bundesebene möglich. Das Land Berlin hat diesbezüglich auf Initiative der LINKEN bereits einige Gesetzesinitiativen im Bundesrat gestartet. Gleiches gilt für unsere Fraktion im Deutschen Bundestag. Leider blieben die Vorstöße bisher ohne Erfolg.

Dennoch gibt es auch auf Landesebene einige Instrumente, die für eine soziale Wohnungspolitik verwendet werden können. Dabei spielen insbesondere die kommunalen Wohnungsunternehmen eine wichtige Rolle. Erlauben Sie mir hier exemplarisch einige dieser Instrumente zu benennen:

- Die städt. Wohnungsbaugesellschaften (WBG) müssen angewiesen werden nicht länger preistreibend zu agieren. Viele WBG gehen bei Neuvermietungen nämlich an die lt. Mietspiegel zulässige Obergrenze. Das beeinflusst wiederum den nächsten Mietspiegel in dem Quartier. Hier hat die rot-rote Koalition erste Schritte unternommen, die aber noch nicht ausreichen. Im Zweifel muss im Wege einer politischen Entscheidung auf Einnahmen durch die WBG verzichtet werden.

- Wir müssen durch eine sog. Zweckentfremdungsverbotsverordnung verhinern, dass weiterhin Mietwohnungen in Ferienwohnungen umgewandelt werden. Das betrifft insbesondere die Bezirke Pankow, Mitte und Friedrichshain/Kreuzberg. Hier werden so viele Wohnungen dem Markt entzogen. Das ist nicht hinnehmbar. Bisher war die SPD leider nicht bereit diese Verordnung mit uns LINKEN zu erlassen.

- Wir fordern die Ausweitung sog. Milieuschutzsatzungen auf alle Bezirke. Auf Druck der LINKEN hat der Senat kürzlich mehr Bezirken als bisher ermöglicht solche Satzungen für bestimmte Quartiere zu erlassen. Allerdings zählt Lichtenberg absurder Weise nicht dazu, obwohl es auch hier betroffene Kieze gibt (z.B. Weitlingkiez, Kaskelkiez, Karlshorst, Rummelsburg).

- Wir brauchen mehr kommunale Wohnungen in der Innenstadt. Dies kann z.B. durch Zukauf oder Neubau durch die WBG realisiert werden. Bei Neubau können z.B. Grundstücke für einen symbolischen Euro an die WBG verkauft werden. Das spart Aufwendungen und Steuern, die im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb stehen. Zusätzlich wird es erforderlich sein eine direkte Subvention durch den Landeshaushalt vorzunehmen oder aber innerhalb der WBG günstige Wohnungen querzusubventionieren. Im Gegensatz zu den Grünen wollen wir LINKE den Neubau nicht durch Wohnungsverkäufe in den sog. Außenbezirken finanzieren.

Für weitere Details empfehle ich Ihnen auch unser Wahlprogramm:
http://www.die-linke-berlin.de/wahlen/berlin_2011/wahlprogramm/wohnungspolitik/

Hinsichtlich des Umgangs der ´linken Szene´ mit der Mietenproblematik möchte ich gern folgendes anmerken: Ich habe grundsätzlich Verständnis dafür, wenn verschiedene Protestformen verwendet werden um auf das Problem der Gentrifizierung aufmerksam zu machen. Entscheidend ist, dass solche Protestformen gewaltfrei sind. Ein wie ich finde recht gelungenes und kreatives Beispiel sind die aus Hamburg übernommenen Aktionen bei Wohnungsbesichtigungen. Etwas differenzierter kann man die "Schwaben raus!"-Aktionen im Prenzlauer Berg betrachten. Erstmal spricht nichts dagegen auch in etwas provokanter und zugespitzter Art und Weise die Probleme zu bennennen. Tatsächlich ist der Prenzlauer Berg schon fast zu einem zweiten Böblingen geworden - mit allen Vor- und Nachteilen. Wichtig ist, denke ich, bei diesen Protestformen nicht einfach nur auf Ausgrenzung der Neu-Berliner abzustellen, sondern dann, wenn man Aufmerksamkeit erregt hat, differenziert über die sozialen und stadtentwicklungspolitischen Probleme ins Gespräch zu kommen. Es kommt eben auf die Wiederherstellung einer gesunden Mischung in den Wohnquartieren an. Ich habe zumindest kein Interesse daran, dass Berlin sich zu einer Metropole entwickelt wie London, Paris oder New York, in der sich nur die Reichen das Leben in der Innenstadt leisten können. Dafür werde ich mich in- und außerhalb des Parlamentes einsetzen.

In der Hoffnung Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Schlüsselburg

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