Frage an Sebastian Schlüsselburg von Nataliia S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Schlüsselburg,
in meinem Briefkasten fand ich Ihre Postkarte verbunden mit der Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung am 22.August zum Thema A 100.
Laut den Unterlagen des Abgeordnetenhauses sind die bislang getroffenen Beschlüsse zur A 100 im Berliner Abgeordnetenhaus GEMEINSAM von SPD und Linkspartei getroffen wurden.
Aktuell wird über den Weiterbau der A 100 bis zur Straße Am Treptower Park beraten. Für einen Weiterbau darüber hinaus sind keinerlei Entscheidungen getroffen.
Warum informieren Sie in Ihrer Postkarte mich falsch?
Sehr geehrte Frau Samotiaga,
Sie erwecken mit Ihrer Frage den Eindruck, ich würde Sie mit der Einladung zur A100-Veranstaltung falsch informieren. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Erlauben Sie mir daher einige aufklärende Ausführungen zum Themenkomplex A100:
Schon 2006 wurde im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und LINKE über die Frage der Verlängerung der A100 gestritten. Die SPD wollte die Verlängerung, Wir LINKE lehnten sie ab. Am Ende verständigte man sich, in diesem Punkt zu Lasten der LINKEN, auf folgende Formulierung:
"Berlin wird sich dafür einsetzen, dass bei der Sanierung von Bundesautobahnen im Stadtgebiet lärmreduzierender Straßenbelag („Flüsterasphalt“) aufgebracht wird. Der Stadtring A 100 wird verlängert bis zur AS Treptower Park - finanziert durch den Bund."
Allerdings ist es im politischen Geschäft üblich, dass durchaus auch nach Beschluss einer Koalitionsvereinbarung über dort getroffene Entscheidungen nochmals beraten werden kann - insbesondere dann, wenn ein Koalitionspartner zwischenzeitlich seine Position wechselt. Dies passierte durch einen Beschluss des SPD-Landesparteitages im Mai 2009. 118 von 223 Delegierten plädierten gegen einen Weiterbau der A100 nach Friedrichshain, Lichtenberg und Prenzlauer Berg. Dieser Beschluss betraf also nicht nur den aktuell in der Diskussion befindlichen Bauabschnitt, sondern eben auch die darauffolgenden und bereits geplanten Bauabschnitte. In der Folge bekräftigte ein Landesparteitag der LINKEN im April 2010 ebenfalls den Weiterbau der A100 als Stadtring grundsätzlich abzulehnen. Damit hatten die höchsten Organe der beiden Koalitionspartner beschlossen die A100 nicht weiterzubauen.
Dieser Beschluss wurde allerdings von vielen SPD-Politikern, insbesondere Klaus Wowereit und Ingeborg Junge-Reyer, nicht respektiert. Die Stadtentwicklungssenatorin versuchte den Weiterbau planungsrechtlich weiter voranzutreiben. Es kam zu einem Konflikt innerhalb der rot-roten Koalition, der auch medial in allen Zeitungen widergespiegelt wurde. Wowereit ließ den SPD-Landesparteitag erneut über die Frage des Weiterbaus beschließen. Im Juni 2010 beschloss der Parteitag mit 113 zu 108 Stimmen die A100 doch weiterzubauen. Ich persönlich halte nicht viel davon so lange abstimmen zu lassen, bis einem das Ergebnis passt. Trotz allem haben wir LINKE dieses Ergebnis zur Kenntnis genommen. In der Koalition verständigte man sich dann auf folgenden Kompromiss: Die SPD-geführte Stadtentwicklungsverwaltung darf die Planungen vorantreiben. Allerdings dürfen keine unumkehrbaren Fakten geschaffen werden. Auch wegen der Nähe zu den Wahlen war uns LINKEN wichtig, dass die Berlinerinnen und Berliner die Frage des Weiterbaus der A100 auch zum Gegenstand ihrer Wahlentscheidung machen können.
Sie sehen also, dass es gerade keine gemeinsame Beschlusslage von SPD und LINKEN für den Weiterbau gibt. Stattdessen wurde die Frage bewusst offen gelassen um sie im Wahlkampf klären zu können. Wenn Sie sich die Parteienlandschaft ansehen, ergibt sich folgendes Bild: SPD, CDU und FDP sind für den Weiterbau der A100 und die Schließung des Stadtringes. LINKE und Grüne sind dagegen und plädieren für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Verkehrspolitik.
Wahlkämpfe sind für die Bürger und nicht für die Parteien da. Sie sollen sich ein Bild von den verschiedenen widerstreitenden Positionen machen und ihre Wahl treffen. Mit unserer Veranstaltung zur A100 am 22. August um 18 Uhr in der Kiezspinne diskutieren wir gemeinsam mit den Anwohnern die Auswirkungen des Weiterbaus der A100 auf die Lebensqualität im Kiez. Ich finde ein solches Angebot gehört sich auch für einen Kandidaten, der Wahlkreisabgeordneter werden will. Schon jetzt darf nämlich im Bereich der zukünftigen Trasse der A100 mit Rücksicht auf dieses Großprojekt nicht gebaut werden. Dabei gibt es gerade dort erhebliches Entwicklungspotential z.B. für das Wohngebiet Frankfurter Allee Süd. Sie sehen also, dass es schon jetzt Vorentscheidungen gibt, die den politischen Handlungsspielraum vor Ort einengen. Sollte die A100 nach der Wahl nach dem Willen der SPD weitergebaut werden befürchte ich, dass dies auch de facto die Entscheidung für den darauffolgenden Bauabschnitt ist. So haben sich in der Presse auch Vertreter von IHK und Handelskammer geäußert.
Ich habe ein Interesse daran, dass die Wählerinnen und Wähler genau wissen woran sie bei welcher Partei sind. In puncto A100 bedeutet das: Wer die SPD wählt, wählt den Weiterbau der A100 mitten durch das Wohngebiet Frankfurter Allee Süd. Wer DIE LINKE wählt, stimmt gegen den Weiterbau der A100 und für eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik. So steht es - zugespitzt - auch in der Einladung und entspricht den Beschlüssen innerhalb der Koalition.
In der Hoffnung ein wenig Licht in die Vorurteile gebracht zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Schlüsselburg