Frage an Sebastian Schlüsselburg von Gregor W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Wie stehen Sie dazu, dass Vertreter der Bundeswehr vermehrt in den Klassenräumen der Schulen angeblich spezielle Lehrinhalte vermitteln?
Sehr geehrter Herr Wilke,
das Thema Bundeswehr an Schulen beschäftigt mich schon seit meiner Zeit als Landes- und Bundesschülersprecher. Wie Sie festgestellt haben, verstärkt die Bundeswehr vor dem Hintergrund der ausgesetzten Wehrpflicht tatsächlich ihre Öffentlichkeitsarbeit - auch an den Schulen. Die genaue Entwicklung für das Bundesland Berlin können Sie den Abgeordnetenhaus-Drucksachen 16/13943 und 16/15522 entnehmen.
Das Thema "Bundeswehr an Schulen" ist allerdings ein relativ komplexes Themengebiet. Das hängt mit den widerstreitenden Grundrechtspositionen der Betroffenen zusammen und auch mit der Frage, ob wir über Rekrutierung durch sog. Wehrdienstberater oder politische Bildungsarbeit durch sog. Jugendoffiziere sprechen. Erlauben Sie mir dazu einige kurze Ausführungen:
Bei Jugendoffizieren handelt es sich um, auch rhetorisch, speziell ausgebildetes Personal. Auf Einladung der Schule dürfen diese Offiziere z.B. im Rahmen des PW-Unterrichts politische Bildungsarbeit leisten. Oft halten sie Vorträge über die Bundeswehr, die NATO und die "Verteidigungspolitik" der jeweiligen Bundesregierung, sprechen also über den Afghanistankrieg. Daneben gibt es sog. Wehrdienstberater, die gezielt für den Dienst an der Waffe und die Karriere in der Bundeswehr werben sollen, z.B. im Rahmen von Berufsorientierungstagen an Schulen. Aus der Praxis wissen wir, dass die Grenze zwischen diesen beiden Funktionen all zu oft verschwimmt. Die Jugendoffiziere nutzen die Einladung in den schulpflichtigen Unterricht um sehr wohl auch - ganz beiläufig - für die Karrierechancen bei der Truppe zu werben. Ein weiteres gravierendes Problem ist, dass in fast allen Fällen die Jugendoffiziere alleinige Gäste im Unterricht sind. Es werden keine militärkritischen Vertreter oder Psychologen eingeladen, die traumatisierte Soldaten betreuen. So ist die Gefahr einer einseiten Beeinflussung der Schüler im Rahmen der Schulpflicht extrem groß. In Schleswig-Holstein gab es sogar einen Fall, bei dem minderjährige Schüler im Schießsimulator mit der Waffe geschossen haben. Viele CDU geführten Bundesländer haben zudem eine Kooperationsvereinbarung mit dem jeweiligen Wehrbereichskommando abgeschlossen. Mit dieser Vereinbarung soll der Truppe der Zugang zu den Schulen weiter erleichtert werden.
DIE LINKE als konsequente Friedenspartei und auch ich ganz persönlich kämpfen für die Beachtung der Grundrechte der Schüler und für militärfreie Schulen. In Berlin wird es mit uns auch weiterhin keine Kooperationsvereinbarung geben. Als direkt gewählter Abgeordneter werde ich mich dafür einsetzen, dass im Abgeordnetenhaus endlich beschlossen wird, dass die Schulen im Falle der Einladung solcher Jugendoffiziere auch militärkritische Vertreter zu der Veranstaltung einladen. Ausserdem sollte den Schülern, die daran aus Gewissensgründen nicht teilnehmen wollen, das Fernbleiben unbürokratisch ermöglicht werden. Leider ist ein solcher Antrag in der laufenden Wahlperiode an der Mehrheit der SPD-Abgeordneten gescheitert.
Aber auch außerhalb des Parlamentes werde ich mich weiter gegen die Militarisierung der Schulen einsetzen. Ich bin Mitgründer des Büdnisses "Schule ohne Militär". Dieses Bündnis demonstriert überall dort, wo die Bundeswehr an Schulen auftaucht und unterstützt Eltern, Lehrer und Schüler dabei aus ihrer Schule eine militärfreie Schule zu machen. So hat es jüngst das Robert-Blum-Gymnasium in Tempelhof beschlossen. Die Haltung der SPD-geführten Bildungsverwaltung dazu finde ich politisch nicht hinnehmbar. Über diesen Vorgang kann ich Ihnen auch einen Artikel in der Berliner Zeitung empfehlen:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/rot-rot-streitet-ber-bundeswehr-prsenz-an-schulen/353220.php
Werfen Sie auch gern einen Blick auf meine Website. Dort finden Sie unter dem Schlagwort "Antimilitarismus" viele Zeitungsartikel und meine Arbeit zu dem Thema, darunter bspw. auch ein Rechtsgutachten des wiss. Dienst des Deutschen Bundestages, das wir dazu in Auftrag gegeben haben.
In der Hoffung Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Schlüsselburg