Was unternehmen Sie konkret gegen den sogenannten Pflexit? ich verliere zur Zeit extrem viele langjährige, erfahrene Kollegen. sie können nicht mehr, sie wollen nicht mehr .

Liebe Marion,

ich kann die Frustration in der Pflege sehr gut verstehen. Meine Mutter ist selbst Krankenschwester, dadurch habe ich sehr nah miterleben können, wie anstrengend dieser Beruf ist - und wie wenig er wertgeschätzt wird. In meinen Augen liegt der Kern des Problems in unserem profitorientierten Gesundheitssystem, wo z.B. private Krankenhäuser die Fälle mit lukrativer Fallpauschale behandeln und den unwirtschaftlichen Rest den staatlichen Krankenhäusern überlassen. Durch solche und ähnliche Vorgehensweisen wird noch der letzte Euro aus dem Gesundheitssystem gepresst, und dem Pflegepersonal bleibt Applaus. Das ist absurd.

Konkret will ich den Beruf aufwerten, indem wir die Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen verbessern: Weniger Überstunden und Doppelschichten, 35-Stunden-Woche, mehr Zeit für die einzelnen Menschen - also mehr Personal für alle Pflegebereiche. Die Menschen, die ich in diesen Berufen kennen lernen durfte haben alle das Anliegen, für Gesundheit und Wohlergehen ihrer Patienten zu sorgen, und dazu gehören eben auch diverse kleine Hilfeleistungen, die nicht in abgerechnet werden können und sollen - doch dafür bleibt im Berufsalltag keine Zeit. Dass ein ordentlicher Lohn ebenfalls zum Beruf gehört, ist klar, aber damit allein ist es glaube ich nicht getan, so lange die Arbeitsbedingungen so brutal sind. Wichtig ist auch die Organisation in einer Pflegekammer - damit die Pflegenden auch politisch repräsentiert werden und Einfluss auf Regierungsentscheidungen ausüben können. Längerfristig sehe ich auch weiterführende Studiengänge für Pflegeberufe als sinnvoll, damit Pflegende mit entsprechender Weiterbildung mehr ärztliche Aufgaben übernehmen können.

Wir sind aktuell in einer sehr seltsamen Lage in Deutschland. Als reiche Industrienation können wir uns ein exzellentes Gesundheitssystem leisten, und jeder und jede einzelne von uns wird früher oder später darauf angewiesen sein. Es ist damit in unser aller Interesse, dass sich dann ausgeruhte, motivierte und konzentrierte Menschen um uns kümmern. Dafür setze ich mich ein.