Frage an Sebastian Gemkow von Hans E. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Gemkow,
welcher Zurückhaltung unterwerfen Sie sich angesichts dieses EUGh-Urteiles?
§ 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) lautet:
„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“
§ 147 GVG bestimmt:
„Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu:
1. dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte;
2. der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes;
3. dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten hinsichtlich aller Beamten der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks.“
Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof am 27. Mai 2019 und schlussfolgert, dass es in der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedern keine unabhängige Justiz gebe.
Urteil EUGh am 27. Mai 2019: Eine Entscheidung könnte „im Einzelfall einer Weisung des Justizministers des betreffenden Bundeslands unterworfen werden.“
Kurzlink: https://ogy.de/rzxa
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=214466&doclang=DE&mode=req&dir=&part=1&cid=390193
Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung 68/19
Kurzlink: https://ogy.de/aydb
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-05/cp190068de.pdf
Sehr geehrter Herr E.,
für die Anfrage danke ich. Zunächst möchte ich klarstellen, dass die zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes nicht den Vollzug der Haftbefehle beeinträchtigt. Die ursprünglich von den Staatsanwaltschaften ausgeübten Zuständigkeiten nehmen mittlerweile die Ermittlungsrichter bei den Amtsgerichten wahr. Das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften besitzt seine Grundlage im deutschen Verfassungsrecht. Die Möglichkeit, Weisungen auszusprechen, soll die demokratische Legitimation des Handelns der Staatsanwaltschaften erhöhen, da der Justizminister vom Ministerpräsidenten berufen und dieser wiederum durch den Sächsischen Landtag gewählt wird. Einer Ausübung des Weisungsrechts bedarf es in der Praxis allerdings regelmäßig nicht. Zudem sieht der aktuelle Koalitionsvertrag vor, dass das Weisungsrecht im Grundsatz nicht ausgeübt werden soll.